Bei Superlativen ist Vorsicht geboten, klar ist aber dennoch: Eines der ältesten Fachwerkhäuser und eine der ältesten zusammenhängenden Fachwerkhauszeilen Deutschlands befinden sich in Esslingen. Fast wäre Letzteres unerkannt geblieben.
Fast wäre die rekordverdächtige Häuserzeile in Esslingen unentdeckt geblieben. Anfang der 1980er Jahre sollten die Gebäude am Hafenmarkt 2 bis 10 eigentlich abgerissen werden. Man ging offenbar davon aus, dass es sich um Bausubstanz aus dem 18. Jahrhundert handele. Der Abbruch des als nicht mehr standsicher geltenden Hauses am Hafenmarkt 2 war bereits im Gange, als quasi in letzter Sekunde der enorme historische Wert nicht nur dieses Bauwerks, sondern des gesamten Häuserensembles am Hafenmarkt entdeckt wurde.
Denn Bauhistorikern waren die an den Nachbargebäuden des Hafenmarkt 2 freigelegten historischen Holzbaudetails aufgefallen, heißt es in einer Publikation der Stadt Esslingen mit dem Titel „Sanierung historische Innenstadt Esslingen am Neckar – Eine Bilanz der Sanierungsgebiete Im Heppächer und Hafenmarkt“. Mithilfe sogenannter dendrochronologischer Untersuchungen habe man das Alter des Holzeinschlags und damit auch das Entstehungsjahr der Gebäude exakt datieren können. Was dabei herausgefunden wurde, war eine Sensation: Die Häuser am Hafenmarkt 2 bis 10 waren laut Publikation um das Jahr 1330 herum in einem Zuge erbaut worden. Bis dato war in ganz Deutschland noch keine zusammenhängende Häuserzeile dieses Alters und dieser Dimension nachgewiesen worden.
Einheitliche Häuserzeile mitten in der Stadt
Martin Hahn, der Landeskonservator am Landesamt für Denkmalpflege, erklärt: „Bemerkenswert ist, dass eine ganze Häuserzeile im 14. Jahrhundert mitten in der Stadt einheitlich gebaut worden und bis heute so gut erhalten geblieben ist.“ Allerdings seien die Gebäude im Lauf der Jahrhunderte immer wieder verändert und weitergebaut worden und wiesen neben mittelalterlichen etwa auch klassizistische Elemente oder barocke Malereien auf. „Am Hafenmarkt 10 hat man die Veränderung exemplarisch rückgängig gemacht, um zu zeigen, wie das mittelalterliche Gebäude aussah“, so Hahn. Das Haus am Hafenmarkt 2 hingegen sei ein Neubau aus den 1980er Jahren. Das Gebäude in seiner damaligen Form konnte nicht mehr gerettet werden, als klar geworden war, welch historische Schätze in den Bauwerken am Hafenmarkt schlummerten. Es wurde aber nach historischem Vorbild rekonstruiert.
Die Gebäude der historischen Fachwerkzeile seien allesamt als Wohnhäuser von Bürgern genutzt worden, sagt Hahn. Im 19. Jahrhundert hätten in den Erdgeschossen oft Läden Einzug gehalten, teils sei das Dach als Wohnraum ausgebaut worden. Bemerkenswert sei unter anderem der hohe technische Entwicklungsstand beim Bau der Fachwerkhäuser im 14. Jahrhundert gewesen: Dass die innovativen Konstruktionen mehrere Jahrhunderte überdauerten, sei schon etwas Besonderes, findet der Landeskonservator. Vor allem in der heutigen Zeit: „Heute würde kein Bauherr 700 Jahre Garantie auf ein von ihm gebautes Haus geben“, sagt er.
Und die Häuser am Hafenmarkt sind nur einige von vielen höchst bemerkenswerten Baudenkmälern in Esslingen. So steht etwa in der Heugasse 3 ein Gebäude, das mitunter als das älteste Fachwerkhaus Deutschlands gehandelt wird. Ganz so will Landeskonservator Hahn es nicht bezeichnen: „Mit Superlativen muss man hier vorsichtig sein – es kann ja sein, dass morgen jemand ein noch älteres Haus entdeckt“, gibt er zu bedenken.
Aber eines der ältesten datierten Fachwerkhäuser in Deutschland sei es auf jeden Fall. Immerhin sei dendrochronologisch – also anhand der Baumringe des verbauten Holzes – das Baujahr 1261 bestimmt worden. Nur unwesentlich jünger sei jedoch das Haus in der Webergasse 8, das auf das Baujahr 1267 datiert sei – und das Gebäude in der Ehnisgasse 18 sei ebenfalls nicht allzu viel später errichtet worden, nämlich im Jahr 1298.
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Einige der ältesten Fachwerkhäuser Deutschlands stehen in Esslingen
Heugasse
Das Wohn- und Geschäftshaus in der Heugasse 3 in Esslingen, das auf das Baujahr 1261/62 datiert wird, gilt als eines der ältesten datierten Fachwerkhäuser in Deutschland. Laut der Publikation „Kulturdenkmale in Baden-Württemberg“ der Landesdenkmalpflege befand sich das Gebäude im 16. Jahrhundert gemeinsam mit benachbarten Gebäuden im Besitz der bekannten Esslinger Apothekerfamilie Rohr. Ende des 19. Jahrhunderts sei im Erdgeschoss ein Ladenlokal eingebaut worden, Anfang des 20. Jahrhunderts seien weitere Schaufenster hinzu gekommen.
Hafenmarkt
Die Häuserzeile an der Südseite des gassenartigen Teils des Hafenmarkts gilt laut der Publikation der Landesdenkmalpflege als eine der ältesten erhaltenen Häuserzeilen Deutschlands. Die Häuser Nummer 2, 4, 6, 8 und 10 seien zeitlich unmittelbar aufeinander folgend zwischen 1329 und 1333 errichtet worden. Insgesamt müsse von einem übergreifenden städtebaulichen Konzept ausgegangen werden, bei dem über wohl teils älteren Kellern eine Neubebauung des Areals vorgenommen worden sei. Auch wenn die Einzelbauten heute durchaus unterschiedlich aussähen, so glichen sie sich doch im Hinblick auf ihre Konstruktion.