Stella Leiser hat ihre Lebenserinnerungen aufgeschrieben. Foto: /Karin Ait Atmane

Viel gesprochen hat Stella Leiser nie über die Tiefpunkte in ihrem Leben. Aber mit über 80 Jahren hatte die Reichenbacherin den Drang, alles niederzuschreiben.

Stella Leiser war 83 Jahre alt, als sie sich hinsetzte und ein Buch schrieb. In „Ebbe und Flut“ hat sie auf rund 200 Seiten einen Teil ihrer Lebenserinnerungen festgehalten. Es ist ein Rückblick auf schmerzhafte Verluste und Schicksalsschläge. Doch der Gedanke an die Menschen, die sie unterstützt und ein Stück weit begleitet haben, erfülle sie mit „Glück und Freude“, sagt sie.

Als sie in einem Film ein kleines Mädchen mit einem roten Kleid und Kniestrümpfen mit Bobbeln sah, erlebte Stella Leiser einen Sturm an Gefühlen - „ein unfassbarer Moment“, wie sie sagt. Sie sah sich selbst in dem Kind und fühlte sich um 75 Jahre zurückversetzt. Dieses Erlebnis war der Auslöser, das Buchprojekt, das sie schon lange in sich trug, umzusetzen. In einer klaren und lebendigen Sprache, ohne Schnörkel und Pathos, hat sie ihre Erinnerungen niedergeschrieben.

Viele Schicksalsschläge, viele Kämpfe

Stella Leiser – der Name ist ein Pseudonym – wurde 1940 im damaligen Jugoslawien geboren. Wenig später kam mit dem Balkanfeldzug der Zweite Weltkrieg dort an. Ihre Mutter und ihre Schwester starben an Diphtherie. Ihr Vater starb nach der Rückkehr aus einem Konzentrationslager. Das kleine Mädchen und ihr Bruder wuchsen bei Oma und Großtante auf, die sie mit viel Liebe aufzogen und prägten. „Für mich war immer meine Großmutter ein Vorbild“, sagt Stella Leiser. Die Oma klagte nicht, sondern sah aufs Positive und vermittelte menschliche Werte. Als sie starb, war die Enkelin 17 Jahre alt.

Wenig später verlor sie auch ihren besten Freund wegen einer Krankheit, einige Jahre danach ihren Verlobten bei einem Lawinenunglück. Immer wieder geriet ihr Leben aus den Fugen. Schließlich entschloss sie sich auszuwandern und peilte Stuttgart an, wo viele Arbeitskräfte gesucht waren. Die junge Frau fand auf Anhieb eine Anstellung als Übersetzerin bei einem mittelständischen Unternehmen im Filstal und blieb in Reichenbach hängen. Später war sie auch wieder in ihrem ursprünglichen Beruf als Lehrerin tätig.

Trotzdem folgte noch einmal eine unruhige Zeit: Sie heiratete einen alten Freund aus der Heimat. Eine Tochter kam zur Welt. Die Ehe scheiterte. Während die Scheidung lief, nahm er die Tochter mit nach Serbien, und es dauerte ein Jahr, bis sie wieder in Reichenbach bei ihrer Mutter war. „Ich musste kämpfen ohne Ende“, sagt die Autorin. Aber sie fand immer wieder Menschen, die sie unterstützten. Von einigen von ihnen erzählt das Buch.

Sie hat nie viel gesprochen über ihr Leben

Als Stella Leisers Bruder starb, war die letzte starke Verbindung in die Heimat gekappt. Erst viel später, mit über 80 Jahren, reiste sie an die Orte ihrer Vergangenheit zurück und konnte dabei mit vielem abschließen. Ein ähnlicher Prozess war das Schreiben für sie: Ab und zu sei es „hart“ gewesen, sich den Erinnerungen zu stellen, die wohl eher verdrängt als verarbeitet waren. Gesprochen hat die heutige Reichenbacherin ihr Leben lang nur wenig über all das, was ihr widerfahren ist. Der Blick nach vorne, die Suche nach einem Ausweg waren oft das Einzige, was ihr blieb. Erst mit ihrem zweiten, mittlerweile verstorbenen Mann fand sie Ruhe. Mit ihm reiste sie, teilte die Liebe zu Kultur und Sprachen. So sei ihr Leben, ein manchmal stürmisches Meer, ruhiger und „leiser“ geworden, sagt sie. Daraus hat sie ihr Pseudonym abgeleitet.

Beim Schreiben des Buches spürte sie, wie sich mancher Kreis schloss. Sie möchte damit auch andere ermuntern, „für die eigenen Träume und Ziele zu kämpfen“ und in schwierigen Momenten nicht aufzugeben. Das Buch „Ebbe und Flut“ kann im Buchhandel bestellt werden.