Rehm Fleischwaren leidet nach eigenen Angaben unter den massiv gestiegenen Preisen auch für Energie. Foto: Roberto Bulgrin

Als im September die Maultaschenproduktion eingestellt wurde, sollte das die Wurstfabrik Rehm retten. Vergeblich: Alle verbliebenen 52 Mitarbeiter verlieren ihren Job und müssen wohl schon ab nächster Woche daheimbleiben.

Lange Zeit ging es bei der Aichwalder Firma Rehm sprichwörtlich um die Wurst. Im September vergangenen Jahres gab sich das Familienunternehmen noch optimistisch, nach dem Abbau von 35 Stellen wirtschaftlich wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen – doch nun werden die Tore für immer geschlossen. Auch die 52 verbliebenen Mitarbeitenden verlieren ihren Job.

Nur eine Handvoll Beschäftigte verlassen zum Schichtende am Mittwochnachmittag 16.30 Uhr den Betrieb. „Die Schließung war abzusehen, seitdem die Maultaschenproduktion im Herbst stillgelegt wurde“, meint Enes Tosic. Der 52-Jährige vermutet, dass der Betrieb die geplanten Preiserhöhungen nicht bei allen Kunden durchsetzen konnte. „Die Stimmung ist gedämpft“, sagt Mladen Kosalec, der seit 21 Jahren bei Rehm arbeitet. Er schimpft über die schlechte Kommunikation: „Uns hat man im Vorfeld gar nichts gesagt, da gibt es keine Transparenz.“ Nachdem die Schließung am Mittwoch bekannt geworden sei, hätten sich die meisten Kollegen krankgemeldet, berichtet der Metzger. „Ich habe hier viel gelernt. Schade, dass es nicht weitergeht“, sagt Izzedin Chihab. Der 59-Jährige hofft, mit diesem Wissen eine Stelle über das Jobcenter zu finden. Ohne Arbeit sei es für ihn kaum möglich, in Deutschland zu bleiben, vermutet der Syrer, der 2015 hierher geflüchtet war.

Die Stimmung unter den Mitarbeitenden ist gedrückt, während auf den Internetseiten von Rehm ein letztes Stück heile Welt herrscht. Mit dem Spruch „Fast Food auf Schwäbisch“ preist die Firma ihre Dosenwurst an. Neben der Abbildung eines Ofen-Leberkäs’ steht: „Kriegt wirklich jeder gebacken.“ Für Rehm selbst gilt das nicht mehr. Ein Button verkündet auf der Homepage: „Unser Werksverkauf ist seit dem 19. 12. 2020 geschlossen.“

Nun wird auch die restliche Firma dichtgemacht: Voraussichtlich im Laufe der kommenden Woche wird laut Geschäftsführer Frank Roth der Betrieb eingestellt. Zu den Gründen für die Schieflage bei Rehm befragt, verweist Roth auf die wirtschaftliche Gesamtsituation mit massiv steigenden Kosten. Die Ausgaben für Rohstoffe und Energie hätten von dem Familienbetrieb nicht mehr getragen werden können. Dass der Name Rehm bei Verbrauchern für Qualität und eine regionale Herstellung stehe, habe den wirtschaftlichen Niedergang nicht aufhalten können: Mit Blick auf die gestiegenen Ausgaben hätten Preise für Rehm-Produkte verlangt werden müssen, deren Höhe gegenüber den Kundinnen und Kunden nicht mehr darstellbar gewesen sei.

Steigende Kosten als Grund

Einen genauen Zeitplan für die Abwicklung der Geschäfte gibt es laut Frank Roth noch nicht. In den nächsten Tagen und Wochen würden anfallende Restarbeiten erledigt. Dafür würden die im Unternehmen verbliebenen 52 Mitarbeitenden zur Verfügung stehen. Wie lange diese Tätigkeiten in Anspruch nehmen, könne er aber nicht sagen. Danach würden die Beschäftigten wohl freigestellt.

Vorwürfe fehlender Kommunikation

Vorwürfen und Gerüchten, die Belegschaft sei nicht über die geplante Schließung informiert worden, tritt der Geschäftsführer energisch entgegen. Das stimme so nicht. Im Rahmen einer Betriebsversammlung sei die Lage dargelegt worden. Ein solcher Schritt könne auch gar nicht vor der Belegschaft verheimlicht werden, sagt Frank Roth. Zur Zukunft des Betriebsgeländes an der Waldstraße in Aichwald und über einen möglichen Verkauf des Areals machte Frank Roth keine Angaben. Diese Frage müsse noch geklärt werden.

Im September vergangenen Jahres hatte es einen Hoffnungsschimmer für Rehm gegeben. Durch die Entlassung eines Drittels der zuvor etwa 100-köpfigen Belegschaft und der Einstellung der Maultaschenproduktion hatte das Aichwalder Unternehmen auf einen Neustart gehofft. Rehm wollte sich fortan auf die Produktion von Fleischkäse und Dosenwurst konzentrieren. Die nicht entlassenen Mitarbeiter müssten sich keine Sorgen um ihre Jobs machen, hatte das Unternehmen im September gegenüber unserer Zeitung gesagt. Diese Ankündigung hat sich nun als Irrtum erwiesen.

Eine Branche in Nöten

Lage
 Nicht nur Rehm in Aichwald ist in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Die Situation ist allgemein angespannt. Wie Thomas Vogelsang, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Wurst- und Schinkenproduzenten, mitteilt, habe sich die Zahl der Verbandsmitglieder von 180 auf 120 reduziert.

Probleme
Fleischwarenhersteller sind nach Angaben von Thomas Vogelsang in der Regel kleinere familiengeführte Betriebe. Einige der Unternehmen hätten in den vergangenen 20 Jahren dem Wettbewerb nicht standgehalten, und durch die steigende Inflation seien Käufer zurückhaltender geworden.

Situation
Weitere Probleme , mit denen die Branche zu kämpfen hat, sind nach Angaben von Thomas Vogelsang die erheblich gestiegenen Gas- und Energiepreise: „Die Produktion ist durch notwendige Kühl- und Erhitzungsprozesse sehr energieintensiv.“ Die Preissteigerungen könnten existenzgefährdend sein.