Die EU-Kommissionschefin beschwört in ihrer Rede zur Lage der Union die Solidarität in Europa. Foto: AFP/FREDERICK FLORIN

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beschwört in ihrer Rede zur Lage der Union die Solidarität und verspricht Entlastungen.

Oft sind keine Worte notwendig, um eine wichtige Botschaft zu überbringen. Aus diesem Grund hielt Ursula von der Leyen ihre Rede zur Lage der Union in gelbem Blazer und blauer Bluse. Auch viele EU-Kommissarinnen und Parlamentarierinnen hatten sich im EU-Parlament in Straßburg für diese markante Farbkombination entschieden. Auffallend, dass die Männer keinen so modischen Mut bewiesen, einige hatten sich lediglich einen dezenten Anstecker in den Farben der Ukraine ans Revers geheftet.

Die Brutalität von Russlands Krieg

Die EU-Kommissionspräsidentin trat entschieden ans Rednerpult und machte im ersten Satz deutlich, dass Europa durch die Brutalität von Russlands Angriffskrieg in seinen Grundfesten erschüttert worden ist. Nun stehe viel auf dem Spielt, nicht nur für Europa, sondern für die ganze Welt. Um diesen Angriff eines rücksichtslosen Autokraten auf die Demokratie abzuwehren, fuhr sie fort, sei dieselbe Geschlossenheit notwendig, die die EU in den ersten Monaten nach dem Überfall an den Tag gelegt hat.

Und Ursula von der Leyen scheint noch immer stolz und auch etwas erstaunt, mit welcher Entschlossenheit und auch Geschwindigkeit mehrere Sanktionspakete der EU gegen Russland auf den Weg gebracht werden konnten. „Wir haben Europas Stärke wieder zum Vorschein gebracht. Und wir werden alle diese Stärke brauchen. Die Zeit vor uns wird nicht einfach.“

Die Chefin reist nach Kiew

Sie selbst werde zur Unterstützung der Ukraine erneut das Land besuchen. Die EU-Kommissionspräsidentin kündigte an, an diesem Mittwoch für Gespräche mit Präsident Wolodymyr Selenskyj nach Kiew zu reisen. Es wäre bereits Ursula von der Leyens dritte Reise in die Ukraine, seit Russland das Land am 24. Februar überfallen hat. Im April besuchte sie unter anderem den Kiewer Vorort Butscha, in dem kurz zuvor Kriegsverbrechen öffentlich geworden waren. Dieses Mal will von der Leyen darüber beraten, wie der EU-Binnenmarkt für die Ukraine geöffnet werden kann.

Kämpferisch formulierte Ursula von der Leyen, jetzt sei „die Zeit für Entschlossenheit und nicht für Appeasement“. Natürlich müssten die Hauptlast des Krieges die Menschen in der Ukraine tragen, doch auch in der EU seien die Auswirkungen deutlich zu spüren. Aus diesem Grund schlug sie zahlreiche Maßnahmen zur Entlastung der Wirtschaft und der Bevölkerung besonders bei den Energiekosten vor.

Gewinne werden in Zukunft abgeschöpft

Zentraler Punkt ist die Abschöpfung von übermäßigen Gewinnen von Energiefirmen in der EU. Die Kommissionspräsidentin kündigte einen Gesetzesvorschlag gegen die hohen Energiepreise an, der sowohl Produzenten von erneuerbarem Strom als auch Gas- und Ölkonzerne treffen würde. „Unser Vorschlag wird mehr als 140 Milliarden Euro für die Mitgliedstaaten bringen, um die Not unmittelbar abzufedern“, sagte von der Leyen. Der Gesetzesvorschlag sieht vor, dass übermäßige Gewinne vieler Stromproduzenten an Verbraucher verteilt werden sollen, um sie bei den hohen Kosten zu entlasten.

Um die Folgen der aktuellen Krisen für ihre Bürger abzufedern, haben die Staaten enorme Schulden aufgenommen. Nun hat Ursula von der Leyen eine Reform der Regeln angekündigt, die für mehr Flexibilität beim Abbau von Schulden sorgen soll. „Im Oktober werden wir neue Vorschläge für unsere wirtschaftspolitische Steuerung vorlegen“, sagte von der Leyen. Neben mehr Flexibilität solle es aber auch eine größere Rechenschaftspflicht geben, wenn es um das Erreichen der vereinbarten Ziele gehe. EU-Länder sollen eigentlich nicht mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung an Schulden aufnehmen. Haushaltsdefizite sollen bei drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts gedeckelt werden.

Appelle an die Solidarität in der EU

Neben solchen eher technischen Passagen appellierte Ursula von der Leyen immer wieder daran, dass es wichtig sei, an die Kraft der Freiheit zu glauben. „Demokratie ist nicht aus der Mode geraten“, sagte die Kommissionschefin durchaus auch selbstkritisch. Aber die Demokratie müsse sich immer wieder erneuern und sich an das Leben der Menschen anpassen. „Putin wird scheitern, die Ukraine und Europa werden sich durchsetzen.“