Viele Demonstranten ließen sich von der Polizei wegtragen. Foto: imago/Funke Foto Services

Die Polizei hat die letzten Aktivisten aus dem nordrhein-westfälischen Weiler Lützerath geräumt. Welche Strafen drohen den – vorrangig jungen – Menschen, die gegen das Abbaggern des Orts für den Braunkohletagebau demonstrieren?

Inzwischen haben alle Klimaaktivisten Lützerath verlassen – auch die beiden Männer im Tunnel. Der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach hatte zuvor versprochen, dass es anfangs keine Strafverfolgung geben werde. Viele andere aber hatten sich in dem Weiler verbarrikadiert und wurden von der Polizei weggetragen, abgeführt und auch mit Transportern des Konzerns RWE weggebracht, welcher den Weiler abbaggern und dort Braunkohle fördern will. Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und RWE wird von Aktivisten kritisiert.

Könnten Aktivisten in Haft kommen? Gefängnisstrafen erwartet der Rechtswissenschaftler Frank Zimmermann vom Institut für Kriminalwissenschaften der Uni Münster eher nicht: „Völlig ausgeschlossen ist es aber nicht“, sagt er. So könnten Steinwürfe oder ähnliche Angriffe auf Einsatzkräfte eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen – oftmals aber zur Bewährung ausgesetzt.

Theoretisch kann das Werfen von Steinen und Böllern auf die Polizei mit einer Haftstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden. Werden Beamte schwer verletzt, kann die Höchststrafe bis zu zehn Jahren betragen.

Werden alle Aktivisten verhört? Das glaubt Frank Zimmermann eher nicht. Von den meisten Aktivisten würden wohl allenfalls die Personalien festgestellt werden, etwa wenn diese als Zeugen für Straftaten in Betracht kämen, sagt er.

Hat das Wegtragenlassen Konsequenzen? Manche Aktivisten sind freiwillig gegangen, andere ließen sich von der Polizei wegtragen. „Das kann aus rechtlicher Perspektive einen Unterschied machen“, sagt Frank Zimmermann. Das rein passive Wegtragenlassen sei keine Straftat. Wenn sich jemand aktiv wehre, sich versuche loszureißen oder nach Beamten trete, könne dies strafbar sein.

Was kann ihnen zur Last gelegt werden? Durch angekettete Demonstranten können Mitarbeiter von RWE nicht ihre Arbeit verrichten, der Tatbestand der Nötigung könnte daher erfüllt sein. Dafür drohen Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Gefängnis. Ebenfalls denkbar ist eine Strafe wegen Hausfriedensbruch, weil sich die Demonstranten in einem Gebiet aufhalten, zu dessen Räumung sie aufgefordert worden sind. Neben einer Geldstrafe steht hierfür eine Höchststrafe von einem Jahr Gefängnis im Raum.

Wie wurde früher geurteilt? Beim Strafrahmen spielt auch die Motivation eine Rolle. Bei den Aktivisten von Lützerath richtet sich diese gegen den Kohleabbau und den Klimawandel. Das ähnelt der Motivation derer, die sich als Vertreter der Letzten Generation auf Straßen festkleben und dadurch den Verkehr behindern. Wie unterschiedlich ein Gericht dabei urteilen kann, ist jüngst in Freiburg deutlich geworden. Für die gleiche Blockade wurde ein Aktivist zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu zehn Euro verurteilt, ein anderer freigesprochen. Grund für den Unterschied: Es urteilten zwei verschiedene Richter. Der eine sah die Blockade als „verwerflich“ an, der andere nicht. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig.