Emma Hinze, Pauline Grabosch und Lea Friedrich holen WM-Gold im Teamsprint. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Bei der Bahnrad-WM in Berlin holen Pauline Grabosch, Emma Hinze und Lea Sophie Friedrich den Titel im Teamsprint – und treten damit aus dem Schatten von Kristina Vogel.

Berlin - Er hat sie nicht in den Rollstuhl gebracht wie die Bahnrad-Olympiasiegerin Kristina Vogel – doch lange zu knabbern gehabt hat auch Pauline Grabosch an dem Unfall vom Juni 2018 auf der Betonpiste von Cottbus. Grabosch hatte dem unvermittelt auf der Bahn stehenden Nachwuchsfahrer aus den Niederlanden noch ausweichen können – die hinter ihr fahrende Kristina Vogel hatte derweil keine Chance mehr. So kam es bei Tempo 60 zu der verhängnisvollen Kollision.

Pauline Grabosch hing danach lange durch. Etwa ein Jahr lang ging kaum etwas zusammen für die Blondine aus Erfurt. Die deutsche Meisterschaft 2019 in Berlin etwa – sie war eine zum Vergessen. „Sie ist lange auf die Bahn gefahren und hatte die Hosen voll“, sagt ihr Vereins-teammanager Michael Hübner: „Als Sprinterin, wo du mit 65 bis 70 Sachen um die Kurve fährst, ist das natürlich kontraproduktiv.“

Doch Grabosch hat letztlich nicht aufgegeben – und konnte somit am Mittwochabend im Berliner Velodrom an der Landsberger Allee bei der Bahnrad-WM den bisher größten Triumph ihrer Karriere feiern. Gemeinsam mit Emma Hinze, 22, und Lea Sophie Friedrich, die in der Qualifikation im Einsatz war, holte die 22-jährige Anfahrerin Gold im Teamsprint. Der Zeit von 32,163 Sekunden hatte im Finale auch das Team Australia nichts entgegenzusetzen.

Vogel freut sich mit den neuen Siegerinnen

„Als ich am Mittwochmorgen erzählt habe, dass die Mädels Gold holen können, da wurde ich nur belächelt“, sagte Kristina Vogel, die das Rennen für das Fernsehen kommentierte – und dabei „zehn Tode gestorben ist. Die Alten sind weg – jetzt sind neue Champions da. Das macht total Spaß.“ Tatsächlich kommt die Wachablösung von Vogel und ihrer langjährigen Partnerin Miriam Welte (das Duo holte neben dem Olympiagold von 2012 in London auch vier WM-Titel) schneller als gedacht. „Die Mädels haben dem BDR mal wieder den Arsch gerettet“, sagte Vogel gewohnt kess in Richtung des Verbandes – auch angesichts der Tatsache, dass der Vierer der Männer lediglich auf Platz sieben gelandet war. Damit wartet der Bund Deutscher Radfahrer in seiner einstigen Paradedisziplin mit fünf Olympiasiegen und 16 Weltmeistertiteln inzwischen seit 18 Jahren auf eine Medaille.

Ausgiebig gejubelt wurde in Berlin dagegen im Lager der Frauen über die neuen Golden Girls vom Velodrom. „Ich dachte, ich spinne. Dass wir so schnell gefahren sind, ist unfassbar“, sagte Emma Hinze, die auf Position zwei schneller unterwegs war, als dies der einstigen Grande Dame des Bahnsprints, Kristina Vogel, je gelungen war. „Ich war zu meiner Zeit die Schnellste, Emma ist es jetzt“, sagte Vogel: „Das hat sich alles entwickelt.“

Das Ziel heißt Olympia-Gold in Tokio

„Ich habe mich neu fokussiert – und hatte Vertrauen in die anderen Mädels“, sagte Pauline Grabosch, die ihr Tief überwunden hat – und nun auch mit Blick auf Olympia 2020 in Tokio positiv in die Zukunft schauen kann. „Wir haben gute Karten, wir sind alle schnell. Es wäre schön, wenn es im Sommer noch mal schneller geht und wir das als beflügelnden Moment nutzen können“, sagte Emma Hinze, die wie die Teamkolleginnen im Alter von 22 Jahren für eine Radsportlerin erst am Anfang der Karriere steht.

Zudem kommt den Deutschen eine Regeländerung im Teamsprint zugute, die vom nächsten Jahr an greift. Dann soll wie bei den Männern mit drei Athletinnen gefahren werden. „Es gibt nicht so viele Länder, die drei so gute Fahrerinnen haben“, sagte Kristina Vogel. Aus dem Schatten ihrer großen Idole ist das Trio Grabosch, Hinze und Friedrich mit dem Erfolg von Berlin ohnehin schon gefahren. „Der Stabwechsel ist geglückt“, sagt Miriam Welte, die 2019 etwas überraschend ihre Laufbahn beendet hatte. Und neue WM-Chancen gibt es auch: An diesem Freitag stehen die Rennen Einzel-Sprint und Keirin an.