Frauen leiden häufiger unter Depressionen als Männer. Foto: dpa/Fabian Sommer

Acht Prozent der Erwachsenen erkranken pro Jahr in Deutschland an einer Depression. Doch bis Betroffene mit einer Behandlung beginnen können, vergehen laut dem aktuellen Deutschland-Barometer Depression oft mehrere Monate oder gar Jahre.

Depressionen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Nach Angaben der Stiftung Deutsche Depressionshilfe erkranken hierzulande jedes Jahr gut fünf Millionen Menschen zwischen 18 und 79 Jahren an einer Depression. Im Laufe seines Lebens ist etwa jeder fünfte bis sechste Erwachsene einmal betroffen. Im Rahmen des Deutschland-Barometers Depression 2022 hat die Stiftung rund 5000 Deutsche zwischen 18 und 69 Jahren online zu der Krankheit und den Behandlungsmöglichkeiten befragt. Wir beantworten wichtige Fragen dazu.

Was sind wichtige Ergebnisse der Umfrage? 23 Prozent der Befragten gaben an, schon einmal die Diagnose Depression erhalten zu haben. Dabei vergehen oft Monate oder gar Jahre, bis Betroffene sich professionelle Hilfe suchen. Bei 65 Prozent der Befragten dauerte es im Durchschnitt 30 Monate, bis sie sich zu diesem Schritt entschlossen. Und wenn die Entscheidung schließlich gefallen ist, ist es oft schwer, schnell eine passende Behandlungsmöglichkeit zu finden. „Die Krankenkasse hat mir eine lange Liste mit Adressen geschickt. Aber die meisten haben gesagt, dass ich ein bis zwei Jahre warten muss“, sagte der Spiele-Entwickler Julian Laschewski bei der Vorstellung des Deutschland-Barometers Depression am Dienstag in Berlin. Schließlich sei er an einen Therapeuten geraten, der ihm aber unsympathisch war. Nach drei Monaten wurde dann doch ein Platz bei einem anderen Therapeuten frei, mit dem es gut klappte. Der Umfrage zufolge mussten Betroffene im Schnitt zehn Wochen auf ein Erstgespräch beim Psychotherapeuten warten, bei Fachärzten acht Wochen.

Wie äußert sich eine Depression? „Dinge, an denen ich vorher viel Freude hatte, machten mir keinen Spaß mehr“, sagte Martina Wiencke, die als zweite Betroffene bei der Pressekonferenz dabei war. Die ganze Welt sei ihr zunehmend „unbunt“ vorgekommen, erzählte die Maßschneiderin. Als Hauptsymptome einer Depression gelten der Verlust von Interesse und Freude in Verbindung mit einer gedrückten, depressiven Stimmung über mehr als zwei Wochen. Hinzu kommen Kriterien wie Schlafstörungen, Antriebsmangel, vermindertes Selbstwertgefühl und Suizidgedanken. „Frauen sind im Durchschnitt doppelt so oft betroffen wie Männer“, sagt Ulrich Hegerl, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.

Was sind die Folgen? Depressionen gehen mit einem deutlich erhöhen Suizidrisiko einher. Gut die Hälfte der Menschen, die ihrem Leben selbst ein Ende setzen, haben nach Angaben der Stiftung vorher an einer Depression gelitten. „Ohne Behandlung verringert sich die Lebenserwartung der Betroffenen um rund zehn Jahre“, so Hegerl. „Wir reden hier nicht über eine Befindlichkeitsstörung.“ Unter einer Depression leiden häufig auch die Mitmenschen der Erkrankten. Seit Jahren verzeichnen die Krankenkassen einen Anstieg der Fehlzeiten infolge solcher Erkrankungen. Auch mehr als 40 Prozent der gesundheitsbedingten Frühverrentungen sind Daten der Deutschen Rentenversicherung zufolge psychisch bedingt.

An wen können sich Betroffene wenden? Erste Anlaufstelle ist in 51 Prozent der Fälle der Hausarzt. Jeder vierte Patient (25 Prozent) geht direkt zu einem Facharzt für psychische Erkrankungen. Jeder fünfte wendet sich an einen Psychologischen Psychotherapeuten. Die eigentliche Behandlung übernahm bei Befragten mit diagnostizierter Depression in knapp zwei Drittel der Fälle ein Psychologischer Psychotherapeut.

Welche Rolle spielen Psychopharmaka? Von den Befragten, die aktuell erkrankt sind, bekommen 62 Prozent Medikamente, 35 Prozent ergänzend zu einer Psychotherapie. Auch Martina Wiencke nimmt bis heute Psychopharmaka. „Die helfen mir über den Tag und waren auch hilfreich während der Therapie.“ Aber auch Sport und Entspannungstechniken wirkten sich positiv aus.

Wie könnte die Versorgung Betroffener verbessert werden? Im internationalen Vergleich sehe die Versorgung mit Fachärzten und Therapeuten hierzulande gar nicht so schlecht aus, meint Stiftungsvorstand Hegerl. „Wir müssen aber die Ressourcen schneller zu den Menschen bringen, die sie brauchen.“ Die Suche nach einer Therapie werde auch dadurch erschwert, dass depressive Menschen oft schnell aufgäben, wenn es nicht gleich klappt. Freunde und Verwandte könnten hier helfen. Auch digitale Therapien könnten die Versorgung verbessern. Laut Studien seien sie nicht schlechter als klassische Therapien. Positiv wertet Hegerl die gewachsene Sensibilität für Depressionen und andere psychische Erkrankungen. Auch deshalb sei die Zahl der Suizide in den letzten Jahren zurückgegangen. Trotzdem gebe es bei der Behandlung von Depressionen nach wie vor den größten Verbesserungsspielraum.