Wie rechtlich sicher sind die Prüfungen in Corona-Zeiten eigentlich (Symbolbild)? Foto: dpa/Armin Weigel

Nicht nur für Schülerinnen und Schüler, auch für Lehrer, Schulbehörden und Juristen sind Abitur-Prüfungen in Pandemie-Zeiten Neuland. Auf der Spur von juristischen Fallstricken.

Dresden - Die Abitur-Prüfungen haben begonnen oder stehen kurz vor ihrem Beginn. Nichts Ungewöhnliches, wäre da nicht die Corona-Krise mit ihren bislang weitreichenden Auswirkungen auch auf den Schulbetrieb. Seit sechs Wochen sind die Schulen geschlossen, die Prüfungsvorbereitung erfolgte zuletzt vor allem im Selbststudium, über Video-Konsultationen oder Aufgaben per Internet. Wie gut oder wie schlecht man wirklich vorbereitet war oder ist, erfahren die Abiturienten erst mit den Prüfungsergebnissen. Und das kann dann bei einer Studienbewerbung zu spät sein. Wie rechtlich sicher sind die Prüfungen in Corona-Zeiten?

Kann man die Abitur-Prüfung mit Verweis auf die Corona-Pandemie verweigern?

Während die Konsultationen vor den Prüfungen auf freiwilliger Basis erfolgen, man also durchaus daheim bleiben kann, sieht es mit den Prüfungen etwas anders aus. „Man ist in den meisten Fällen gut beraten, wenn man die Prüfungen absolviert“, sagt die Dresdner Fachanwältin für Verwaltungsrecht mit Schwerpunkt Schul- und Prüfungsrecht, Veronika Wiederhold. Eine generelle Verweigerung geschehe mit sehr hohem Risiko.

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Das Absolvieren der Prüfung zu Corona-Zeiten könne allerdings im Vorfeld nachweisbar gegenüber der zuständigen Prüfungsbehörde gerügt und die Prüfung dann ausdrücklich nur unter Vorbehalt absolviert werden. Anschließend könne die Frage im Rahmen einer Prüfungsanfechtung geklärt werden. Im sächsischen Kultusministerium verweist man darauf, dass das Festhalten an den Prüfungen mit dem Landesschülerrat abgesprochen wurde und es von dort eine klare Ansage gab, die Abiturprüfungen in gewohntem Maße angehen zu wollen.

Kann man wegen schlechter beziehungsweise als nicht bestanden gewerteter Prüfungsergebnisse mit Verweis auf den ausgefallenen Unterricht in den vergangenen Wochen erfolgreich klagen?

Ein pauschaler Hinweis auf ausgefallenen Unterricht wird sicher nicht ausreichen. „Interessanter wird es erst dann, wenn die Betroffenen konkreter werden; wenn die schlechte Bewertung zum Beispiel damit in Zusammenhang gebracht wird, dass ein spezielles Prüfungsthema zuvor nicht im Unterricht behandelt wurde. Komplizierter wird es allerdings, falls dieses Thema von den Lehrern während des Unterrichtsausfalls online vermittelt wurde“, sagt Anwältin Wiederhold. Im Fall, dass ein Betroffener erklärt, dass ihm durch den Unterrichtsausfall allgemeine Prüfungsvorbereitung fehlte, sollte er dies noch vor der Prüfung gegenüber der Prüfungsbehörde nachweisbar monieren. Er müsse allerdings mit dem Gegenargument rechnen, dass er aufgrund des Unterrichtsausfalls mehr Zeit für selbstständiges Lernen und Üben zu Hause hatte.

Wo kann man Einspruch einlegen?

Das Kultusministerium in Sachsen hat eine Vermittlungsstelle im Landesamt für Schule und Bildung eingerichtet. Das geschah extra für Fragen rund um die Bildung in Corona-Zeiten. Davon wissen aber nur die Wenigsten. Rechtsanwältin Veronika Wiederhold verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass man Rügen unbedingt VOR der Prüfung einreichen sollte beziehungsweise Einsprüche und Bedenken WÄHREND einer schriftlichen Prüfung sofort der Aufsicht mitteilt und dies aktenkundig macht. „Man kann sich im Nachhinein oftmals nicht auf Dinge berufen, die vorher hätten geklärt werden können“, begründet die Fachanwältin diese Verfahrensweise.

Das Tragen von Mund-Nasen-Masken ist bei den schriftlichen Prüfungen empfohlen beziehungsweise an einigen Schulen Pflicht. Was passiert, wenn ein Schüler sich die ungewohnte Maske in einer 5-Stunden-Prüfung vom Gesicht reißt, weil es zu Atem- oder Konzentrationsproblemen kommt, die Brille beschlägt oder Kopfschmerzen wegen Sauerstoffmangels auftreten?

Von den Kultusministerien ist das Tragen der Mund-Nasen-Masken empfohlen. „Wenn eine Schule das zur Pflicht macht, ist das ihre Sache“, sagt eine Sprecherin des sächsischen Kultusministeriums. Anwältin Wiederhold empfindet eine Tragepflicht in einer mehrstündigen Prüfung als rechtlich problematisch. „Der Nutzen von Mund-Nasen-Masken wird nicht ohne Grund wissenschaftlich diskutiert. Besondere Auswirkungen dürften sich bei Schülern mit Vorerkrankungen ergeben, zum Beispiel bei Asthmatikern. Und wenn ohnehin nur die Prüfungsklassen in der Schule anwesend sind, so können diese so auf die Räume aufgeteilt werden, dass ausreichend Abstände zwischen den Schülern vorhanden sind. Dann müssten zumindest während des eigentlichen Prüfungsvorgangs auch keine Mund-Nasen-Masken getragen werden“, sagt die Fachanwältin.

Sollte ein Schüler während der Prüfung wegen Kopfschmerzen und Sauerstoffmangels aufgrund der Mund-Nasen-Maske Probleme bekommen, greife die prüfungsrechtliche Fürsorgepflicht. Je nach Intensität der gesundheitlichen Belastung des Prüflings könne zum Beispiel eine kurze Unterbrechung - eventuell mit Schreibzeitverlängerung - in Betracht kommen, aber auch ein gegebenenfalls möglicher spontaner Wechsel in einen anderen Raum. „Im Fall einer Maskenpflicht sollte diese im besten Fall noch vor der Prüfung nachweisbar moniert werden“, rät Veronika Wiederhold. Schüler mit Vorerkrankungen sollten auch über die Beantragung eines Nachteilsausgleichs nachdenken.

Welche juristischen Gefahren birgt die Aussetzung der anonymen Zweitbewertung, wie sie beispielsweise Sachsen vorgenommen hat?

Das Kultusministerium verweist darauf, dass bei weit auseinanderliegenden Ergebnissen eventuell ein dritter Korrektor herangezogen werden kann, dass sich aber auch die beiden Bewerter auf kurzem Dienstweg darüber austauschen könnten, warum es zu diesen unterschiedlichen Bewertungen gekommen sei. „Ein Aussetzen einer Anonymität bei der Zweitbewertung halte ich rechtlich für ausgesprochen problematisch, da auf diese Weise die sonst gegebene höhere Objektivität bei der Bewertung deutlich reduziert wird. Es gibt meines Erachtens auch keinen rechtfertigenden Grund für ein solches Aussetzen“, entgegnet Fachanwältin Veronika Wiederhold.