Im Prozess wegen versuchten Mordes gegen eine 52-jährige Backnangerin haben der Ehemann und die Tochter als Zeugen ausgesagt. Diese haben das Bild einer toxischen Ehe gezeichnet.
Am zweiten Tag im Prozess wegen versuchten Mordes gegen eine 52-jährige Frau aus Backnang haben Familienangehörige ein verheerendes Bild vom Innenleben der Ehe gezeichnet. „Unsere Ehe war von Anfang an toxisch und von krankhafter Eifersucht, Gewaltexzessen, Hasstiraden und Beschimpfungen geprägt“, sagte der 58-jährige Ex-Ehemann, der seit Oktober von ihr geschieden ist. Er habe keine andere Frau als schön bezeichnen dürfen, nicht einmal im Fernsehen. Dies habe zu verbalen Streitigkeiten geführt, sie habe ihn gekratzt und ihm Ohrfeigen verpasst.
Sie hätten einmal eine Therapie angefangen, nach einer Sitzung aber wieder abgebrochen. Er habe auch mehrfach über eine Scheidung nachgedacht. „Ich fühlte mich aber verpflichtet zu bleiben, wir hatten Kinder und jetzt sogar Enkel“, sagte der 58-Jährige. Zudem sei seine Frau dann wieder über einen längeren Zeitraum „sehr lieb“ gewesen, und er habe auf Besserung gehofft. „Aber dann kam aus dem Nichts eine neue Attacke“, sagte der Mann.
Angriff mit Brot- und Fleischmesser
Als die Enkel Anfang Juni bei ihnen zu Besuch gewesen seien, sei es in der Küche zu einem völlig überraschenden Angriff auf ihn gekommen, nachdem er Süßigkeiten in eine Schublade geräumt habe, die der Enkelsohn zum Nachtisch gewollt habe. Seine Frau habe ein Brot- und ein Fleischmesser in der Hand gehabt und ihn zunächst im Halsbereich erwischt. Er habe dann „Geht’s noch?“ gerufen und versucht, seine Frau von weiteren Stichen abzuhalten. Doch diese habe weiterhin in Richtung Hals, Nacken und Ohr gestochen. Ihm sei es dann schließlich gelungen, ihr ein Messer aus der Hand zu schlagen und dieses unter einen Küchenschrank zu kicken. Beim Kampf um das zweite Messer sei eine Porzellanschale zu Bruch gegangen. Als es ihm gelungen sei, seine Frau zu Boden zu bringen, habe sie mit einer Scherbe mehrfach auf ihn eingestochen und zweimal in den Oberschenkel gebissen. „Unser Enkel stand daneben und hat geschrien“, erzählte der Mann.
Er habe es dann geschafft, die Frau vor das Haus zu bringen und das zweite Messer hinter eine Mülltonne zu werfen. Durch den Krach und die Hilfeschreie seien mehrere Nachbarn aufmerksam geworden. Er habe sie gebeten, die Polizei und einen Krankenwagen zu alarmieren. Neben mehreren Schnittwunden am Hals, am Ohr und an den Händen und Beinen habe er auch psychische Folgen erlitten, unter denen er bis heute leide. „Ich erlebe den Ablauf im Traum immer wieder und frage mich, wie es weitergehen soll“, erzählte er.
Der 58-Jährige räumte ein, dass er das Handy und das Auto seiner Frau getrackt und eine Kamera an verschiedenen Orten im Haus angebracht habe, um im Falle einer Scheidung über ihre Schritte Bescheid zu wissen. „Es ging nicht um Eifersucht, ich wollte vorbereitet sein“, erklärte der Mann. Seine Frau habe auch mehrmals die Konten leer geräumt, wenn er eine Trennung angedroht habe. „Sind Sie nie auf die Idee gekommen, dass sich bei ihrer Frau dadurch ein Verfolgungswahn entwickeln könnte?“, fragte daraufhin die Vorsitzende Richterin Monika Lamberti.
Die Mutter hat laut Tochter zwei Seiten
Verständnis für das Verhalten ihres Vaters äußerte hingegen die 34-jährige Tochter der Angeklagten. „Ich verstehe, dass er sich schützen wollte, weil im Fall von häuslicher Gewalt fast immer die Männer im Fokus stehen“, sagte sie. In der Ehe ihrer Eltern sei die Gewalt aber immer von ihrer Mutter ausgegangen. Sie habe ihn immer wieder blutig gekratzt, er habe nur reagiert. „Meine Mutter hatte zwei Seiten: Sie war eine liebe, hilfsbereite Frau, aber auch extrem impulsiv und aggressiv – und das oft wegen Lappalien wie einem verlegten Brief“, berichtete die Tochter. Ihr harmoniebedürftiger Vater habe gelernt, alles unter den Teppich zu kehren – „jetzt hat es ihn fast das Leben gekostet“, erzählte die 34-Jährige.
Mit tränenerstickter Stimme berichtete sie, dass ihre Tochter blutig gewesen sei und ihr Sohn sie mit großen tränenerfüllten Augen angesehen habe, als sie beide nach dem Vorfall an Anfang Juni abgeholt habe. „Sie waren fast ein halbes Jahr lang nicht mehr bei Oma und Opa gewesen und hatten sich gefreut. Und ich hatte meine Eltern gebeten, Streit vor den Kindern zu vermeiden“, berichtete die Tochter. Sie sei mit den Kindern bei einer Psychologin, der Sohn erzähle immer wieder von dem Vorfall.
Die Angeklagte hat sich zum Tatvorwurf bisher nicht geäußert. Bei der Aussage ihres mittlerweile geschiedenen Mannes blickte sie demonstrativ in eine andere Richtung und machte mehrere Zwischenbemerkungen, was ihr Ermahnungen der Vorsitzenden Richterin einbrachte.