Die Festnahme eines Elfjährigen in Singen hat jetzt doch kein juristisches Nachspiel. Foto: dpa/Oliver Berg

Warum ist in Singen ein Kind in Handschellen abgeführt worden? Die Frage bleibt offen. Ein für Donnerstag anberaumter Prozess gegen zwei Polizisten fällt aus.

Der Prozess gegen zwei Polizisten, die am 6. Februar des vergangenen Jahres einen elfjährigen Jungen vor seiner Wohnung in Singen in Handschellen gelegt und abgeführt haben sollen, fällt aus. Einen Tag vor der für den Donnerstag anberaumten Hauptverhandlung am Amtsgericht Singen akzeptierten die beiden Beamten doch noch den gegen sie im Oktober wegen Freiheitsberaubung und Nötigung ergangenen Strafbefehl.

Der Fall hatte für landesweites Aufsehen gesorgt. Der Verband Deutscher Sinti und Roma warf den Beamten Antiziganismus vor. So sollen die Beamten das Kind als „einen von den Zigeunern, die kennen wir ja“ begrüßt haben. Auch sei der Bub bedroht worden: „Du kommst eine Nacht hinter Gitter“ und „Der Tod kommt dich holen“, hätten die Beamten gesagt. Dann sei der Junge ohne ersichtlichen Grund abgeführt worden.

Die Mutter wird nicht informiert

Nach Angaben des Verbandes sei die Mutter des Jungen nicht informiert und von der Polizei im Unklaren über den Verbleib ihres Sohnes gelassen worden. Sie habe vergeblich bei der Polizeiwache angerufen und keine Auskunft erhalten. Das Kind sei im Verhörzimmer festgehalten worden und später alleine nach Hause geschickt worden.

Gegen die Beamten hatte das Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft im Oktober Strafbefehle erlassen. Nach Informationen unserer Zeitung belaufen sie sich auf jeweils 3600 Euro und stehen unter Strafvorbehalt. Das heißt, die Strafe wird nur fällig, wenn sich die Beamten innerhalb eines Jahres keine weiteren Vorfälle zuschulden kommen lassen. Beide Beamten seien weiterhin im Dienst, erklärte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz. Gegen zwei weitere Polizisten wurde das Verfahren gegen Auflagen eingestellt.

Polizeiausbildung beschäftigt sich mit Geschichte der Sinti

Der Stuttgarter Rechtsanwalt Engin Sanli, der den damals Elfjährigen als Nebenklägeranwalt betreut, sagte, es sei bedauerlicherweise immer noch keine Entschuldigung bezüglich der Tat erfolgt.

Als Folge des Vorfalls seien Themen wie Antiziganismus und die Geschichte und Gegenwart von Sinti und Roma in den Ausbildungslehrplan der Landespolizei aufgenommen worden, sagte der Vorsitzende des Landesverbandes der Sinti und Roma, Daniel Strauß. Er habe mit Innenminister Thomas Strobl eine systematische Beteiligung seines Verbandes an der Ausbildung von Polizisten vereinbart. „Wir hoffen auf eine nachhaltige Verbesserung.“