Ein Prozess um gefälschte Sprach- und Einbürgerungstests hat begonnen – die beiden Brüder des Angeklagten wurden bereits vom Landgericht Stuttgart zu Haftstrafen verurteilt.
Ziemlich genau zwei Monate nach dem Urteil gegen seine beiden Brüder muss sich nunmehr der dritte Mann vor dem Landgericht Stuttgart wegen banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung von Sprach- und Einbürgerungstests in Backnang verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 33-Jährigen vor, in mindestens 355 Fällen Sprachzertifikate und Bescheinigungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gefälscht zu haben, mit denen Ausländerinnen und Ausländer einen Aufenthaltstitel erwerben, beziehungsweise ihre Einbürgerung beantragen oder eine höherwertige berufliche Tätigkeit ausüben konnten.
Im Schnitt 2300 Euro für Fälschungen verlangt
Laut Anklage wurden für die Fälschungen im Schnitt 2300 Euro verlangt. Die Interessenten hätten zunächst eine Anzahlung gemacht, bei der Übergabe der Dokumente – häufig in einem Café in Backnang oder einer Sprachschule in Ellwangen – sei dann der Restbetrag beglichen worden. Teilweise seien die Dokumente auch mit der Post versandt worden. Der Kontakt zu den Kunden sei häufig über soziale Medien wie Tiktok aufgenommen worden. Die gefälschten Urkunden hätten zum Teil QR-Codes enthalten, die auf eine extra eingerichtete Datenbank mit falschen Testergebnissen oder real nicht existierende Internetseiten verwiesen. Die Staatsanwaltschaft geht von 355 nachweisbaren Fällen mit einem Gesamtschaden von rund 314 000 Euro aus.
Die beiden 32 und 37 Jahre alten Brüder waren wegen banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung sowie banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern von der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart zu Haftstrafen von viereinhalb und vier Jahren und acht Monaten verurteilt worden.
Der Prozess gegen den dritten Bruder muss getrennt verhandelt werden, weil dieser geflüchtet war und mit internationalem Haftbefehl gesucht wurde. Im März dieses Jahres wurde er im Balkanstaat Montenegro festgenommen – dort saß der 33-Jährige drei Monate in Auslieferungshaft. Seit Juni sitzt er in deutscher Untersuchungshaft, sein Fall wird ebenfalls vor der 8. Großen Strafkammer verhandelt.
Einigung auf Prozessverständigung
Nach einstündiger Unterbrechung einigten sich Richter, Staatsanwalt und Verteidigung bereits am ersten Prozesstag auf eine sogenannte Prozessverständigung. Für den Fall eines Geständnisses wurde dem Angeklagten ein Strafkorridor zwischen vier Jahren und drei Monaten und vier Jahren und neun Monaten zugesagt. Der Prozess wird am 28. Oktober fortgesetzt.
Seit dem Jahr 2008 müssen Zuwanderer für den deutschen Pass Sprachkenntnisse nachweisen, um sich im Alltag mit Mitmenschen, bei der Arbeit und mit den Behörden in Deutschland verständigen zu können. Betrugsversuche sind dabei immer wieder bekannt geworden: Mal halfen Sprachschulen bei den Tests oder sahen über Schummeleien hinweg, mal wurden Betrüger mit guten Deutschkenntnissen in die entsprechenden Prüfungen geschickt.