Vermutlich linke Aktivisten legen sich nach der Kundgebung mit der Polizei an. Foto: Lichtgut

Eine friedliche Großdemo im Schlossgarten wird überschattet von Krawallen, die danach stattfinden. Die Organisatoren lehnen diese Protestform ab. Beim Thema Infektionsschutz sehen sie Verbesserungsbedarf.

Stuttgart - Noch immer ist Lionel Njoya ganz überwältigt von dem, was am Wochenende in Stuttgart geschah. „Wir haben mit so viel Zuspruch nicht gerechnet“, sagt der 20-jährige Stuttgarter. Er gehört zum Team, das innerhalb einer Woche die Demo „Black lives matter“ organisiert hat. 750 Teilnehmende hatte man angemeldet, mehrere Tausend kamen. Neben der großen Unterstützung des Protests gegen Rassismus hat das Orgateam noch etwas beeindruckt: „Die Leute waren friedlich und haben sich auch bemüht, die Corona-Schutzregeln einzuhalten. Und am Ende kam die Polizei zu uns und hat uns gelobt und sich bei uns bedankt“, erzählt der Student. Auch er ist voll des Lobes für die Polizei, die die Organisatoren „super unterstützt“ habe.

Zwei Dinge liegen ihm am Herzen, und das sind auch die zwei Themen, welche die Sicherheitskräfte beschäftigen: Zum einen distanziere sich das Team ganz klar von den Attacken gegen die Polizei nach dem Ende seiner Veranstaltung. „Wir sind eine Generation, die etwas verändern kann, daran glaube ich – aber friedlich, mit unseren Stimmen, ohne Gewalt“, sagt Njoya. Zum anderen liege dem Team die Gesundheit aller am Herzen. „Wir wissen: Corona ist noch da. Wir wollen die Regeln einhalten und sind froh, dass fast alle Masken trugen“, sagt Njoya. Der Mindestabstand war aber ein Problem im Schlossgarten, weil so viele kamen.

Eine Festnahme auf der Demo erfolgt nach einem Hilferuf der Organisatoren

Die Polizei ist nach der Demo sauer – nicht auf die Organisatoren, aber auf die Gruppen, die am Rande Krawall machten. Zunächst waren „Personen, die wir dem linken Spektrum zuordnen“ beim Neuen Schloss rabiat geworden, weil ein dunkelhäutiger Mann festgenommen worden war. „Die Organisatoren der Demo hatten uns auf ihn aufmerksam gemacht und gebeten, ihn zu entfernen“, sagt Polizeisprecher Stefan Keilbach. Denn der Mann sei alkoholisiert und aggressiv gewesen. Darauf hätten Protestierende mit Feuerzeugen, Regenschirmen und Steinen auf die Polizei geworfen. Eine Beamtin habe gerade noch rechtzeitig das Fenster des Streifenwagens geschlossen, so sei ein Stein daran abgeprallt, der sie sonst getroffen hätte. Später seien diverse Gruppen mit mehreren Hundert Personen durch die Innenstadt gezogen. Es sei die Bundesstraße 14 blockiert worden, und eine Gruppe sei vor das Innenstadtrevier an der Theodor-Heuss-Straße gezogen. „Ganz Stuttgart hasst die Polizei“, das sollen Protestierende dort gerufen haben, außerdem hätten sie gegen die Tür getrommelt. „Wenn man das betrachtet und den Angriff am Rande einer Demo auf dem Wasen gegen einen Mann, der seither im Koma liegt, dann ist da seitens der linken Szene eindeutig eine Grenze überschritten“, sagt der Polizeisprecher. Gemeint sind die Akteure aus dem linken Spektrum, die nach der Demo loszogen, nicht die friedliche Mehrheit.

Veranstaltungsteam berät über weiteres Vorgehen

Mit Sorge betrachten auch Gewerkschaftsvertreter die aktuellen Entwicklungen. „Die Gesellschaft muss solidarisch gegen Rassismus sein. Und die Polizei ist Teil der Gesellschaft. Nur eine Debatte im Miteinander über vermeintliche Ursachen oder mutmaßliche Entwicklungen ist zielführend. Angriffe gegen die Polizei sind es nicht“, erklärte Dietmar Schilff, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) findet klare Worte. „Freilich darf man bei uns demonstrieren, aber eben nicht mit Gewalt“, sagte er am Montag. Er kritisierte auch, dass die Abstandsregeln nicht eingehalten wurden. Ralf Kusterer, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, ist erfreut, dass sich die Organisatoren von Gewalt und Krawallen distanzieren – und befürchtet, dass weitere unfriedliche Aktionen kommen.

Das Veranstaltungsteam der Demo berät noch, wie es weitergeht, gerade auch wegen des Infektionsschutzes. Die Stadt nimmt sich des Themas ebenfalls an. Oberbürgermeister Fritz Kuhn äußerte sich auf Anfrage auch dazu: „Ich verstehe sehr gut, dass die Menschen angesichts der Ereignisse in den USA gegen Rassismus demonstrieren. Wir sollten aber das Thema Rassismus nicht nur auf die Vorfälle in den USA reduzieren. Auch dem Rassismus in unserer Gesellschaft müssen wir entgegentreten.“ Kuhn lobt die Stuttgarter für ihre hohe Beteiligung: „Das zeugt von der liberalen und weltoffenen Grundhaltung in unserer Stadt. Aber für diese wie für alle Demonstrationen gilt in Zeiten der Corona-Pandemie: Abstand halten und Maske tragen, zum eigenen Schutz und aus Respekt vor dem Wohlergehen der anderen. Die Ansteckungsgefahren sind noch nicht vorbei.“