Mit dem Projekt „Viele Teile, eine Stadt“ wollen Julia Opitz und Christian Rilling den musealen Blick erweitern. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Jeder Esslinger Stadtteil hat seine eigene Geschichte. Die sollen Bürgerinnen und Bürger im Rahmen des Projekts „Viele Teile, eine Stadt“ erforschen, das unter anderem von der Kulturstiftung des Bundes gefördert wird.

Esslingen Wird ein musealer Blick auf die Geschichte der Stadt geworfen, stehen meistens zentrale Themen, etwa die alte Reichsstadtherrlichkeit oder die rasante industrielle Entwicklung Esslingens, im Mittelpunkt. „In unserer Dauerausstellung sind die Esslinger Stadtteile derzeit leider so gut wie nicht präsent, und auch in den Wechselausstellungen werden ganz selten Themen aus den Stadtteilen aufgegriffen“, räumt Christian Rilling, stellvertretender Leiter der Städtischen Museen, selbstkritisch ein. Da das Museumsteam den Blick weiten und zudem die Bürgerinnen und Bürger einbeziehen will, starten er und Julia Opitz nun das Projekt „Viele Teile, eine Stadt“, an dessen Ende eine Ausstellung im Gelben Haus am Hafenmarkt stehen wird. „Damit möchten wir das Bewusstsein schärfen, dass Esslingen eben nicht nur aus der Innenstadt besteht, sondern jeder Stadtteil seine eigene Geschichte hat“, erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin, die im Stadtmuseum ihr Volontariat gemacht hat und nun das Projekt hauptamtlich leiten wird. Möglich macht das die Förderung der Esslinger Zukunftsstiftung Heinz Weiler sowie der Kulturstiftung des Bundes. Letztere schießt bis zu 150 000 Euro Fördermittel zu, die vor allem, so der Wunsch der Kulturstiftung, „ für die personelle Verstärkung des Museumsteams für einen Produktionszeitraum von bis zu zwei Jahren genutzt werden“.

Unter der Überschrift „Stadtgefährten“ hat die Kulturstiftung einen Fonds für Stadtmuseen eingerichtet. Da städtische Museen Orte der urbanen Geschichte und Identität sowie „ein Angebot zur Orientierung und Aufforderung zum lebendigen Austausch über eine Stadt oder eine Region sind“, seien sie besonders geeignet „gerade auch neue Bevölkerungsgruppen anzusprechen und zur Mitarbeit einzuladen“, heißt es vonseiten der Kulturstiftung. Damit Städte und Kommunen auch in Zukunft den komplexer werdenden Alltag und „das Lebensgefühl unserer Städte und Kommunen“ abbilden können, werde es für Ausstellungshäuser, die orts- und regionalgeschichtlich arbeiten, immer bedeutender, Netzwerke zu knüpfen sowie ihre Sammlungstätigkeit und Ausstellungspraxis neu zu reflektieren. Dass der Antrag aus Esslingen positiv beschieden worden ist und das Stadtmuseum als eines von fünf baden-württembergischen Ausstellungshäusern den Zuschlag erhalten hat, freut Kulturamtsleiter Benedikt Stegmayer „außerordentlich“. Denn es sei nicht einfach, bei der Kulturstiftung des Bundes zu punkten. „Das ist eine prestigeträchtige Stiftung, die die Messlatte sehr hoch legt.“ Ihn begeistert an dem Projekt, „dass dadurch eine intensive Arbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern aus allen Stadtteilen möglich wird und Laien durch dieses Bildungsprojekt das Handwerkszeug bekommen, um selbst historisch zu forschen“.

Nach Gefährten, die das Projekt in der gesamten Stadt mit voran bringen, musste das Museumsteam nicht lange suchen. Bei den Bürgerausschüssen rannten Julia Opitz und Christian Rilling offene Türen ein. Während sich in den Stadtteilen Geschichtswerkstätten gründen sollen (in einigen Stadtteilen gibt es sie schon), in denen die Historie vor Ort erforscht wird, werden die Bürgerausschüsse als Türöffner fungieren und Bindeglied zwischen den Bewohnern und dem Museum sein. „Wir haben selten eine so große Begeisterung und Aufbruchstimmung erlebt, wie bei der Vorstellung dieses partizipativen Projekts in der Runde der Bürgerausschüsse“, berichtet Rilling.

„Viele Teile, eine Stadt“ ermögliche es nicht nur, sich mit dem eigenen Stadtteil auseinanderzusetzen. „Dadurch wird die Identifikation mit der Stadt verstärkt, und das Projekt bietet die Chance, den Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft zu stärken“, sagt Julia Opitz. Vorgaben zum Forschungsfeld wird sie übrigens nicht machen. „Uns ist es wichtig, dass die Themen aus den Stadtteilen selbst kommen und die Aktiven das eigene Selbstverständnis des Stadtteils herausarbeiten“, unterstreicht die Projektleiterin.

Denn die Geschichte der einzelnen Stadtteile ist höchst unterschiedlich. „Wenn man sich zum Beispiel die Filialorte, die planmäßig angelegten Stadtteile wie den Zollberg und Sirnau oder das ehemals selbstständige Oberesslingen sowie die eingemeindeten Orte Berkheim und Zell anschaut, merkt man, wie verschieden die Stadtteile sind“, sagt Christian Rilling. Ob die Mitglieder der Geschichtswerkstätten ins Archiv gehen, um historische Quellen zu sichten, Zeitzeugen befragen, fotografische Dokumente sammeln, selbst zur Kamera greifen oder historische Objekte zusammentragen: Auch das bleibt ihnen selbst überlassen. Wichtig ist Julia Opitz, zu deren Job es ebenfalls gehört, die Gruppen aus den Stadtteilen bei der praktischen Arbeit zu unterstützen, „dass der Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart geschlagen wird“ – und dass die Geschichtsbegeisterten spätestens im Frühjahr 2020 ihre Arbeit vollendet haben. Da werden die Esslinger Stadtteile sich und und ihre Geschichte in einer großen Ausstellung im Stadtmuseum präsentieren.

Tour durch die Stadtteile

Wer Stadtgefährtin oder Stadtgefährte werden möchte, ist zu einem der Treffen eingeladen, bei denen Julia Opitz und Christian Rilling das Projekt vorstellen. Liegt der Termin im eigenen Stadtteil ungeschickt, können Interessierte auch zum Infotreffen in einen anderen Stadtteil kommen. Los geht der Reigen der Infoveranstaltungen in der Innenstadt. Dort trifft man sich am Montag, 14. Januar, um 18.30 Uhr im Stadtmuseum am Hafenmarkt. Tags darauf wird das Projekt um 18.30 Uhr in der evangelischen Kirche Sirnau, Finkenweg 20, vorgestellt.

Am Mittwoch, 16. Januar, treffen sich Interessierte aus Mettingen, Weil und Brühl um 19 Uhr im Familienzentrum Mettingen, Lerchenbergstraße 10. Am Donnerstag, 17. Januar, sind die Oberesslinger um 18.30 Uhr ins Ertinger-Haus bei der Martinskirche eingeladen. Die Pliensauvorstadt ist am Freitag, 18. Januar, an der Reihe. Treffpunkt ist um 18.30 Uhr im Mehrgeberationen- und Bürgerhaus in der Weilstraße 8. Die Einwohner von RSKN können sich am Samstag, 19. Januar, um 14 Uhr im Bürgerhaus in der Sulzgrieser Straße 170 informieren. Ebenfalls am Samstag treffen sich die Berkheimer um 16 Uhr in der Heimatstube des Alten Rathauses, Brunnenstraße 12. Interessierte aus St. Bernhardt und vom Berg sind am Montag, 21. Januar, um 18.30 Uhr im Gemeindehaus Hegensberg-Liebersbronn, Liebersbronner Straße 35, willkommen. Tags darauf sind Julia Opitz und Christian Rilling in Zell zu Gast. Dort trifft man sich um 18.30 Uhr im Vereinsheim in der Aleenstraße 1. Am Mittwoch, 23. Januar, startet um 18.30 Uhr in der Alten Kelter, Stettener Straße 30, die Infoveranstaltung für die Bürgerinnen und Bürger aus Wäldenbronn, Hohenkreuz, Serach und Obertal. Zum Abschluss geht das Museumsteam dann auf den Zollberg. Geschichtsfans können sich um 18.30 Uhr in der Gasstätte Waldheim, Neuffenstraße 87, Informationen zum Projekt holen.