Dritt- und Viertklässler aus Esslingen entwickeln in einem Workshop Theaterstücke, die sie am 17. Juli an der Württembergischen Landesbühne aufführen. Das Besondere daran: Die Inszenierungen werden als Hörspiel aufgezeichnet. Welche Vorteile hat das Format?
Ein junges Mädchen sitzt auf dem Boden und spielt Videospiele. Gleichzeitig laufen Heldenfiguren, Monster und andere Charaktere aus den Spielen auf die Bühne. Währenddessen langweilt sich die Schwester des Mädchens. Um sie herum bildet sich ein Käfig, sie fällt in einen tiefen Schlaf. Nun träumt sie von einer Königin, die um einen verdorrten Wald trauert. So beginnt das Stück, das Dritt- und Viertklässler während des Theater-Workshops Geschichtenrecorder in einem Klassenzimmer der Katharinenschule proben.
Bei der vielschichtigen Erzählung handelt es sich keineswegs um die Adaption eines bekannten Stoffes. „Das hat sich die Gruppe selbst ausgedacht“, erzählt der Musikpädagoge Uwe Kühner. Er hilft den Kindern dabei, das Stück zu entwickeln und einzuüben. Ähnliches passiert im Rahmen des „Geschichtenrecorders“ auch an der Seewiesenschule und an der Waisenhausschule. Die Ergebnisse sind am 17. Juli an der Württembergischen Landesbühne (WLB) zu sehen. Dort führen die Schülerinnen und Schüler ihre Werke vor Publikum auf.
Geschrei und Gesäusel
Aber nicht nur das: Die Inszenierungen werden gleichzeitig als Live-Hörspiel aufgezeichnet. „So können wir mehr Kinder für das Theater begeistern“, sagt Tobias Metz, leitender Theaterpädagoge an der WLB. Von ihm stammt die Idee. Für viele sei es spannender, ein Hörspiel zu erarbeiten, als klassisch ein Stück einzustudieren. „Geräusche und Geschichten gehen dabei Hand in Hand“, sagt Metz.
Welch einen starken Eindruck die Akustik hinterlassen kann, lernen die Schülerinnen und Schüler bei den Proben. Eine der Aufwärmübungen geht folgendermaßen: Die Kinder bilden einen Kreis, dann tritt eines von ihnen in die Mitte und schließt die Augen. Nun kommt von der Gruppenleiterin die Vorgabe, laute Töne von sich zu geben und auf die Schülerin mit den geschlossenen Augen zuzugehen. Dabei dröhnt das Zimmer, es wird geschrien, gesungen, gegrunzt. In der nächsten Runde steht ein anderer in der Mitte. Jetzt sind leise Geräusche angesagt, der Kreis schließt sich diesmal säuselnd und flüsternd.
Anschließend erzählen die Kinder, wie es sich in der Mitte angefühlt hat – „unangenehm“ und „beängstigend“ werden als Beschreibungen ebenso genannt wie „aufregend“ und lustig“. Diese Erfahrungen sollen in die Produktion einfließen, zum Beispiel wenn die Gruppe der Katharinenschule auf der Bühne mit Rasseln und anderen Hilfsmitteln, aber auch mit dem Mund einen sogenannten Zauberregen erzeugt.
Kinder machen es wie die Profis
Das Esslinger Kulturamt unterstützt das Projekt, das im Januar an den drei Grundschulen im Rahmen der dortigen Ganztagesbetreuung angelaufen ist. Pro Einrichtung nehmen 17 Kinder im Alter zwischen acht und elf Jahren teil. Darunter seien einige mit geringen Deutschkenntnissen, sagt Rebecca Kenner, Bildungsplanerin des Kulturamts. Sie fügt hinzu: „Wir wollten Kinder ansprechen, die durch soziale Faktoren bislang wenig Kontakt mit dem Theater hatten.“ Den Großteil der finanziellen Mittel für das Projekt macht eine Spende der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg in Höhe von 9900 Euro aus. Das Geld fließt in die Bezahlung der Theater- und Musikpädagogen, die den Workshop an den Schulen leiten.
Momentan laufen die letzten Vorbereitungen für den Auftritt an der WLB. „Der Hörspieltag ist organisiert wie ein Theaterfestival bei den Profis“, sagt Metz. Nachdem eine Gruppe ihr Stück aufgeführt hat, spielen ihr die anderen Klassen ein Feedback dazu vor. Dann werden die Kinder der Katharinenschule erfahren, was ihre Altersgenossen von der Geschichte mit den zwei Schwestern und der traurigen Königin halten.