Erben setzt Sterben voraus (von links): Cathrin Zellmer, Feline Zimmermann, Christian A. Koch und Niklas Schmidt-Kosik. Foto: Tobias Metz

Nora Abdel-Maksouds Theatersatire „Jeeps“ lässt Erben leer ausgehen und verspricht Habenichtsen das große Los. Tobias Rott inszeniert das Stück an der Esslinger Landesbühne.

Nee, der Titel „Jeeps“ weist auf keine Expedition in den Dschungel, höchstens in den der Großstadt, wo Alpha-Männchen und ihre Gattinnen gern mit schnieken und sackteuren Geländewagen rumkurven. Warum dieser Verkehr in ihrem hippen Münchner Viertel so auffällig zugenommen hat, fragte sich die Autorin und Schauspielerin Nora Abdel-Maksoud, als sie nach einigen Berliner Jahren in ihre Heimatstadt zurückkehrte. Ihre Antwort: Muss was mit Klassismus zu tun haben – der demonstrativen Abgrenzung besserverdienender G-Klasse-Showcruiser vom Kleinwagenproletariat; der da oben, die lächerliche 150 000 für ihr großes Spielzeugauto aus der Portokasse abdrücken, von denen da unten, die ein Berufsleben lang drauf sparen und dann doch nicht dazugehören. So wie Jobcenter-Mitarbeiter Gabor.

Wie man da für umverteilende Gerechtigkeit sorgen kann, erprobt Abdel-Maksouds Sozialkomödie, die Tobias Rott an der Esslinger Landesbühne (WLB) inszeniert. Natürlich identifiziert das Stück die Wurzel allen Ungleichheitsübels im Erben. Den einen vergoldet sich jeder Trauerrand, die anderen kriegen nichts, wenn Oma und Opa, Papa und Mama das Zeitliche segnen. Aber die Erbschaftssteuer ist auch nicht so ganz die coole Zange, um die Wurzel des Übels zu ziehen. Denn mögen die Geldsäcke auch noch so geschröpft werden – die Habenichts kriegen trotzdem nichts aufs Konto. So die – durchaus satirische – Logik des Stücks, das ein anderes Erbschaftsmonopoly erfindet: Die „Eierstocklotterie“, wie WLB-Dramaturgin Melina Hüttner so anschaulich sagt, wird durch eine richtige Lotterie ersetzt. Über jedes Erbe entscheidet das Los, das Glücksrad dreht sich für alle gleich. Das Milliardärssöhnchen kann leer ausgehen, die privatinsolvente Arbeitslose den Hauptgewinn ziehen. Beauftragt mit der Durchführung ist das Jobcenter, wo nun diejenigen Schlange stehen, die sonst nur vorbeifahren mit ihren Jeeps.

Szene mit (von links) Christian A. Koch, Cathrin Zellmer, Feline Zimmermann und Niklas Schmidt-Kosik Foto: Tobias Metz

Von wegen Klassenkampf

Zum Beispiel Silke, die sich mit allen Mitteln das Los für das Vermögen ihres verstorbenen Vaters sichern will. Ebenso mit allen Mitteln will die erwerbsunfähige Schriftstellerin Maude den zuständigen Sachbearbeiter Gabor davon abbringen, ihr das Pfand vom Flaschensammeln auf die Stütze anzurechnen. Statt Klassenkampf kommt es zur klassenübergreifenden Solidarität der Frauen – und zur gemeinsamen Überzeugung, dass nur noch Gewalt hilft. Wie wär’s, wenn Gabors Jeep in die Luft fliegen würde?

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Regisseur Rott versteht das Stück als Sozialsatire mit tieferer sozialkritischer Bedeutung. Im Jahr 2021 uraufgeführt an den Münchner Kammerspielen, mitten im Shopping-Revier der Bussi-Bussi-Society, wird „Jeeps“ an der WLB in der heimischen Region verortet: mit geographischen Stichworten („Killesberg“) und der Geländewagenmarke eines Untertürkheimer Herstellers.

Stichwort „Neiddebatte“

„Es ist ein sehr witziger, fast kabarettistischer Text“, freut sich der Regisseur. „Die Situationen wechseln blitzschnell.“ Dramaturgin Hüttner ergänzt: „Das Stück macht Ungerechtigkeit sichtbar, auch um ein Gefühl des Ertappt-Seins auszulösen.“ Schließlich sind auch im Esslinger Publikum Erben und künftige Erblasser vertreten. Ihnen will die Inszenierung die Frage mit auf den Heimweg geben, wie man es hält mit der gesellschaftlichen Verteilungsgerechtigkeit. Wobei Rott betont: „Jeeps ist kein Propagandastück.“ Gleich zu Beginn der Inszenierung fällt das Stichwort, das wie ein Geier über dem Geschehen kreist: „Neiddebatte“. Bühnenbildnerin Cornelia Brey sperrt sie in einen disproportionierten Raum „zwischen Showbühne, Jobcenter und Knast – ein Raum, der nicht für Menschen gemacht ist.“

Die Premiere beginnt an diesem Freitag, 21. Februar, um 19.30 Uhr im Esslinger Schauspielhaus. Die nächsten Vorstellungen folgen am 1., 7. und 26. März, 11., 12. und 29. April, 8. und 11. Mai.