Beklommene Blicke in die Grube: Kristin Göpfert in der Hauptrolle der Lale und das Ensemble. Foto: Patrick Pfeiffer

Ein Dorf wird von Schaufelbaggern verschlungen: Mirjam Neidhart inszeniert „Die Grube“ nach dem Roman von Ingrid Bachér an der Esslinger Landesbühne. Exemplarisch will die Handlung zeigen, wie der Bezug zu natürlichen Lebensgrundlagen verloren geht.

Anfang der 2000er Jahre war es so weit. Die Schaufelbagger verschlangen Garzweiler nordwestlich von Köln. Die Bewohner waren längst umgesiedelt worden, der Ortsname aber haftet wie eine Reliquie an dem, was den Ort und seine Menschen verschwinden ließ: der gleichnamige Braunkohle-Tagebau. In Ingrid Bachérs Roman „Die Grube“, 2009 veröffentlicht, lebt das reale Garzweiler gespenstisch weiter in einer fiktiven Geschichte, die geradezu kriminalistisch mit dem verordneten Untergang verwoben ist: Seit damals verschwunden ist ein Mann, der seinem Vater versprochen hatte, das Grundstück nie für Braunkohle zu verkaufen. Der offiziell ungelöste Fall, dessen Lösung einige Eingeweihte sehr wohl kennen, spiegle exemplarisch die Konflikte als Folge der Eingriffe in Natur und Menschenleben. Sagt Mirjam Neidhart, die zusammen mit der Autorin eine Bühnenfassung erstellt und an der Esslinger Landesbühne inszeniert hat. Am Samstag ist Premiere.

Auch die Gegenseite kommt zu Wort

Letztlich handelt das Stück aus Sicht der Regisseurin „vom Verlust eines selbstverständlichen Bezugs zur Erde als Nahrungsspenderin und Lebensgrundlage“. Die Interessen der Energiepolitik und die Macht der Konzerne zeige sich nicht nur „im Umgang mit der Natur und den natürlichen Ressourcen, sondern auch mit dem Recht der Menschen, die dort leben“. Die Inszenierung will jedoch kein einseitiges Licht auf den Konflikt werfen, der 2018 im Hambacher Forst und 2020 im nahen Lützerath Fortsetzungen fand. Auch die Gegenseite kommt zu Wort, und zur Gegenseite gehören nicht nur irgendwelche Bosse, sondern wir alle mit dem Energiehunger unserer wunderbaren Digitalisierung und unserer tollen Mobilität.

Was dem zum Opfer fällt: Heimat, Boden, Gemeinschaft, für die sich die Darsteller immer wieder zum Chor formieren. Problematische Begriffe, weiß Neidhart und will die Chance nutzen, sie im veränderten Kontext vom Missbrauch durch die Nazis und ihre Nachfolger zu befreien.

Die Premiere beginnt an diesem Samstag, 5.  Oktober, um 19.30 Uhr im Esslinger Schauspielhaus. Die nächsten Vorstellungen folgen am 12. Oktober, 9., 20. und 22. November, 17. und 19. Dezember sowie am 7. Februar.