Joe Biden mit seiner Ehefrau Jill bei einem Besuch im Staat New York Foto: AFP/Mandel Ngan

Joe Biden macht bisher trotz des Debatten-Desasters keine Anstalten, sich aus dem Rennen um das Weiße Haus zurückzuziehen.

Das Treffen in Camp David für Familienfotos mit der Starfotografin Annie Leibovitz war bereits vereinbart, als die der Präsidentschaftsdebatte noch kein Thema war. Dennoch drängte sich der Eindruck auf, der Clan des US-Präsidenten Joe Biden habe sich zu einem Krisengipfel getroffen. Gekommen waren neben Ehefrau Jill, Tochter Ashley und dem kürzlich verurteilten Sohn Hunter auch Bidens Schwester Valerie sowie die Enkel des Präsidentenpaares.

Anschließend verlautete aus dem Umfeld des 81-Jährigen, seine Familie habe ihn ermutigt, im Rennen um das Weiße Haus zu bleiben. Vor allem Ehefrau Jill habe ihn gedrängt, nicht das Handtuch zu werfen. Das passt in das Narrativ, das seit Langem in den rechten Medien kultiviert wird.

„Grausam – Jill klammert an der Macht“

Der konservative Polemiker Matt Drudge fasst es auf seinem Online-Dienst mit der griffigen Schlagzeile zusammen: „Grausam – Jill klammert an der Macht“. Fraglos ist die seit 47 Jahren mit Joe verheiratete Lehrerin die größte Cheerleaderin des Präsidenten. Sie war eine der wenigen Stimmen, die nach dem Debatten-Desaster am vergangenen Donnerstag den Glauben an die Fähigkeit ihres Mannes nicht verloren hatte. „Du hast alle Fragen beantwortet, Du hast alle Fakten gewusst“, lobte sie ihn vor Anhängern bei einer Debattenparty wie einen Schulbuben nach einer mündlichen Prüfung.

Die Kommunikationsdirektorin der First Lady, Elizabeth Alexander, bestätigt die Entschlossenheit des Präsidentenpaares, auch diese Krise durchzustehen. Die beiden seien in ihrem Leben durch dick und dünn gegangen. „Er will gewinnen und sie will das auch.“

Obwohl ein Chor aus Biden-Loyalisten in den Sonntagstalkshows versuchte, die Bedeutung der katastrophalen Performance herunterzuspielen, herrscht bei den Demokraten Panik. Mäandernde Sätze ohne Sinn, unwidersprochene Lügen Trumps über den 6. Januar und die angeblich gestohlenen Wahlen sowie verpasste Chancen, bei Themen wie der Abtreibung zu punkten, ließen den mit schwacher, krächzenden Stimme auf dem CNN-Podium stehenden Amtsinhaber überfordert wirken.

Angesehene Kolumnisten mit Sympathie für Biden wie Tom Friedman, David Ignatius, Nicholas Kristof oder Ezra Klein gaben ihre vornehme Zurückhaltung auf und schrieben Klartext. Es sei eine Tragödie, wenn der Mann, der mit dem Anspruch antrete, die Demokratie zu retten, diese aufs Spiel setze. „Um seinem Land zu dienen, sollte Präsident Biden aus dem Rennen aussteigen“, fasst die New York Times den Tenor zusammen.

Alternativen gäbe es reichlich

Nach der Debatte sagten 45 Prozent aller Demokraten in einer Umfrage des Senders CBS, sie wünschten sich einen anderen Bannerträger, der Trump herausfordert. Unter allen Wählern halten nur noch etwas mehr als einer von vier (27 Prozent) den ältesten Präsidenten in der Geschichte der USA mental und kognitiv fit genug für eine zweite Amtszeit.

Qualifizierte Alternativen gäbe es reichlich. Angefangen bei dem kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom, seiner charismatischen Kollegin aus Michigan, Gretchen Whitmer, dem rhetorisch starken Gouverneur von Illinois, J.B. Pritzker, bis hin zu Verkehrsminister Pete Buttigieg oder der zögerlichen Wunderwaffe Michelle Obama.

Dass Barack Obama sich hinter seinen ehemaligen Vize stellte, ist Teil der Strategie, Biden einen Rückzug in Würde zu ermöglichen. Kenner aus seinem Umfeld betonen gegenüber der New York Times, die Chancen dafür stünden „4 oder 5 zu 1“. Biden-Freund und Großsponsor John Morgan meint, dazu werde es nur kommen, wenn die First Lady Joe davon überzeugt. „Jill hat das letzte und wichtigste Wort“, bestätigt er ihren Einfluss.