Baran Rahimi, Yasmin Neni, Tim Tibi und Selin Akin (von links) möchten mit ihren Mitstreitern vom Jugendgemeinderat ein Statement setzen. Foto: Andreas Hennings

Der Jugendgemeinderat in Ludwigsburg startet eine Postkartenaktion. Mit ihr soll für sexuelle Übergriffe sensibilisiert und ein Hilfsangebot geschaffen werden. Wie sieht das genau aus?

Ludwigsburg - Vor einem Jahr hat der Ludwigsburger Jugendgemeinderat eine Umfrage an Schulen und Hochschulen zum Thema Alltagssexismus gestartet. 650 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 27 Jahren machten mit. Das Ergebnis war eindeutig: Alltagssexismus betrifft viele junge Menschen. 455 Teilnehmende gaben sogar an, sexuelle Belästigung erlebt zu haben. Also mehr als zwei Drittel der Teilnehmenden.

Dabei kann es sich um sexistische Sprüche oder Witze handeln, um anzügliche Bemerkungen oder eine entsprechende Kontaktaufnahme über die Sozialen Medien. Verhaltensweisen mit sexuellem Bezug also, die vom Angesprochenen nicht gewünscht sind – auch wenn die Aussage vom Verursacher möglicherweise gar nicht ernst gemeint war. Sexismus beschreibt zudem Fälle, bei denen Menschen etwa wegen ihres Aussehens, ihres Verhaltens oder ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden.

Karten werden in der Gastronomie verteilt

„Als wir dieses Ergebnis gesehen haben, war klar, dass wir das Thema aufgreifen müssen. Wir wollen das Problem nicht so stehen lassen“, sagt Jugendstadtrat Tim Tibi. Das Resultat ist eine Postkartenaktion, die nun startet. Heißt: In einem Workshop in den Herbstferien gestalteten die Mitglieder des zwischenzeitlich neu gewählten Gremiums mit einem Grafiker drei Motive. Darauf ist zu lesen: „Stopp“, „Machtmissbrauch“ und „Perspektive – Wechsel“. Stichwörter, die schnell eine Botschaft vermitteln sollen.

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Die Postkarten werden in den Schulen und Hochschulen ausgelegt sowie an Schulsozialarbeiter verteilt. Auch außerhalb der Bildungseinrichtungen werden sie zu finden sein, etwa in der Gastronomie. Es geht dem Jugendgremium zum einen darum, auf das Thema aufmerksam zu machen und die Menschen dafür zu sensibilisieren. Zum anderen möchten sie Betroffenen mit Verhaltensempfehlungen und einem QR-Code auf der Rückseite helfen. „Über den Code werden Hilfsangebote gebündelt angezeigt, versehen mit Ansprechpartnern“, sagt Hannah Junginger, bei der Stadtverwaltung zuständig für den Bereich Jugendbeteiligung.

„Thema wird sonst gerne totgeschwiegen“

Jugendstadträtin Selin Akin berichtete bei der Vorstellung des Projekts, dass sich manche Jugendliche nicht mehr ins Freibad trauen. „Wenn schon Jugendliche sexuelle Belästigung erfahren, weiß man, dass etwas nicht stimmt.“ Mit den Postkarten wolle man ein Statement setzen. „Das Thema wird ja sonst gerne totgeschwiegen.“ Ihre Mitstreiterin Baran Rahimi betont, dass Sexismus überall auftreten könne. „Beispielsweise, wenn einem hinterhergepfiffen wird.“

Yasmin Neni nennt Fälle, in denen Lehrer Mäuschen oder Schätzchen zu Schülerinnen sagten. „Das mag witzig gemeint sein, aber in dem Moment fühlt man sich trotzdem verletzt.“ Sie betont: „Ob es sich um Spaß oder Belästigung handelt, entscheidet nicht der Täter, sondern das Opfer.“ Auch Jungs, erläutern die Jugendlichen, seien betroffen. Etwa wenn es um Erwartungshaltung an sie in manchen Schulfächern gehe.

Die ersten Postkarten des von der Kreissparkasse Ludwigsburg mit 3000 Euro geförderten Projekts wurden verteilt. Der Jugendrat nimmt sich dem Problem Alltagssexismus weiterhin über einen Arbeitskreis an.