Max Benzing (link) und Nikos Likopulos im Studio Gaga. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Im Hotel am Schlossgarten sind mit dem Studio Amore und dem queeren Studio Gaga zwei der spannendsten Pop-up-Projekte Stuttgarts entstanden. Jetzt steht fest, wann für immer Schluss ist. Ein Gespräch mit den Machern zum Endspurt.

Die Aufzüge im 1962 erbauten Hotel am Schlossgarten haben ihren Geist aufgegeben. Jetzt müssen die Betreiber des Studios Amore Bierkästen und Equipment die Treppen hochtragen, wenn beispielsweise oben in der Zirbelstube eine Veranstaltung ansteht. Dass nichts mehr repariert wird vor dem großen Umbau, versteht der Gastronom Max Benzing. Einst hat er eben an diesem Ort, im mit Zirbelholz vertäfelten Sternerestaurant, den Beruf des Kochs erlernt.

Mit seinem Geschäftspartner Janusch Munkwitz hat Benzing (seine Mutter betrieb das legendäre Café Scholz am Marktplatz) in dem einstigen Nobelhotel einen brummenden City-Hotspot auf Zeit geschaffen, einen Beweis für Metropolitan Life im Weltstädtle Stuttgart mit dem Charme der 60er Jahre. Die Eigentümer von der Immobiliengruppe der LBBW haben die Pläne für die Sanierung des Hotels immer wieder nach hinten verschoben. Jetzt steht fest, dass es im Sommer 2025 vorbei ist mit Pop-up. Damit die Marriot-Gruppe ihr luxuriöses Premium-Haus unweit des Hauptbahnhofs 2028 eröffnen kann.

Vor einem Jahr kam das Studio Gaga für ein queeres Publikum dazu

Brachflächen sind eine Chance für Pioniere, die mit kreativen Ideen dafür sorgen, dass der Leerstand in der Übergangszeit sinnvoll genutzt wird, bis für neue Projekte Bauanträge genehmigt sind. Die Besitzer, die aus der Unteren Königstraße ein Vorzeige-Viertel der Innenstadt machen wollen, profitieren von der Vermietung an Szene-Wirte zu Sonderkonditionen: Wenn die Immobilie nicht über Jahre leer steht, schont das die Bausubstanz.

Als das Studio Amore im Januar 2023 in der großzügigen Eingangshalle und der entkernten John-Cranko-Lounge, in der sich nun eine Discokugel dreht, startet, haben die Eigentümer den Barbetreibern nur ein halbes Jahr Nutzung versprochen. Nun sind bald zwei Jahre verstrichen. Vor einem Jahr kam in dem leer geräumten Hotel noch Nachwuchs dazu: das Studio Gaga mit Zugang zum Schlossgarten öffnete für ein queeres Publikum. Nun wissen die Betreiber: Im Sommer 2025 soll der finale Schlusspunkt unter ein spannendes Kapitel der Stuttgarter Gastroszene gesetzt werden. Gerade die Vergänglichkeit macht den Pop-up-Reiz aus.

Leuchtschrift im Studio Gaga Foto: Lichtgut//Leif Piechowski

Bis dahin bleiben sechs Monate, die beide Studios noch mal so richtig für viel Spaß nutzen wollen. Am Samstag feiert das Gaga den ersten Geburtstag mit einer Party, die zur „Nacht des Jahres“ mit Stars der Drag-Szene werden soll, wie Betreiber Nikos Likopoulos sagt. Auch im Amore bereitet man sich auf den Schlussspurt vor, will nach der Anfangseuphorie und der Ruhe nach dem Ansturm noch mal stark aufdrehen. Am 21. Januar wird der zweite Geburtstag groß gefeiert.

Für die Bars läuft’s in wirtschaftlich harten Zeiten meist schwer, sagen die beiden. Gute Ideen sind keine Selbstläufer. Auch aus Clubs, zu denen sich das Amore und das Gaga jedoch nicht zählen, kämen Klagen, dass sich nach der Pandemie das Ausgehverhalten verändert habe. Die fetten Jahre sind vorbei.

Max Benzing übernimmt die Altstadtbars Lido und Puf

Auf PR über Selfies der Gäste in sozialen Medien wird an beiden Orten bewusst verzichtet. In die temporären Bars kommt nur, wer die Kameras seiner Handys abkleben lässt. Dieses Vorgehen habe sich bewährt, sagt Max Benzing: Man feiere „angenehmer“, wenn die Location frei von Selfies sei. Es gehe darum, den Augenblick intensiv zu leben, nicht alles immer nur für Instagram festzuhalten. Gerade für die queere Community sei das Fotografierverbot wichtig, fügt sein Kollege Nikos hinzu: „Viele unserer jungen Gäste sind nicht geoutet.“

Was planen die beiden, wenn sie das Schlossgartenhotel endgültig verlassen müssen? Benzing übernimmt die Bars Lido und Puf im Leonhardsviertel, die er im Februar vielleicht unter neuem Namen und mit neuem Konzept eröffnen werde. Viel mehr verrät er noch nicht. Nikos will sich dann wieder mehr um das Monroes an der Schulstraße kümmern, das er ebenfalls betreibt.

So soll der Pavillon vor der Baustelle des Schlossgartenhotel aussehen. /Steimle Architekten BDA, Universität Stuttgart

Die Eigentümer des Schlossgartenhotels hatten angekündigt, im Oktober einen Pavillon auf der Spindel zum Parkhaus am Schlossgarten zu eröffnen. Daraus ist bisher nichts geworden. Während des Umbaus soll dieser Info-Point über das Bauvorhaben informieren. Das Hotel werde, so kündigt die Landesbank an, mit einem „erstklassigen Restaurant inklusive großer Terrasse in den Schlossgarten hinein“ sowie einer Rooftop-Bar auf dem Dach mit 360-Grad-Blick über Stuttgart zu einem „Highlight der City“.

Die Schlossgartenbau AG, eine Tochter der Immo-LBBW, hat die Gastronomie des Info-Points den Machern des Studios Amore anvertraut – etliche renommierte Stuttgarter Gastronomen bewarben sich darum.

Melanie Winkler und Daniel Schöpflin, die in Stuttgart Architektur studieren, entwarfen den Pavillon in massiver Holzkonstruktion samt Event-Fläche. Doch die Hinweise verdichten sich, dass diese temporäre Attraktion gar nicht kommt. Auf unsere Anfrage haben sich die Projektentwickler bisher nicht dazu geäußert. Bei Großprojekten weiß man nie, wie Zeitpläne sich verschieben. Wird das Hotel überhaupt 2028 fertig?

In der früheren John-Cranko-Lounge des Schlossgartenhotels hängt nun die Discokugel. Foto: Lichtgut//Leif Piechowski

All das ist Zukunftsmusik. Jetzt heißt es, die Gegenwart zu genießen. Bevor die etwas anderen Hotelbars 2025 weichen müssen, wird es in langen Partynächten Amore geben – viel Amore für Stuttgart, für eine Stadt, die so cool sein kann.