Bundesinnenministerin Nancy Faeser bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik in Berlin. Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik wird Deutschland immer sicherer – doch vielfach verlagert sich die Kriminalität wohl nur ins Netz.

Als die Innenministerin Nancy Faeser (SPD) am Mittwoch in Berlin die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) vorgestellt hat, war ihre erste und wichtigste Botschaft: „In den meisten Bereichen gibt es eine positive Entwicklung“ – das zeige, dass Deutschland ein sicheres Land und ein starker Rechtsstaat sei. Um knapp fünf Prozent ist die Anzahl der in der Statistik erfassten Straftaten 2021 gegenüber dem Vorjahr gesunken. Bereiche, die sich positiv nach unten entwickelt haben, sind Mord und Totschlag, Wohnungseinbrüche und Diebstahl.

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Mehr als doppelt so viele Kinderpornografie-Delikte als 2020

Joachim Herrmann, der Vorsitzende der Bundesinnenministerkonferenz, sieht darin einen „Beleg für die gute Arbeit von Polizei und Sicherheitsbehörden im Bund und in den Ländern“ – aber auch Auswirkungen der Corona-Maßnahmen. Bei geschlossenen Läden gebe es „logischerweise“ weniger Ladendiebstahl und Einbrecher hätten es schwerer gehabt, weil die Menschen viel Zeit zuhause verbracht hätten.

Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, hat noch eine andere Erklärung parat: „Wir beobachten eine strukturelle Veränderung der Kriminalität hin zu Cybercrime.“ Die Zahl dieser Delikte, zum Beispiel Computersabotage oder das Ausspähen und Abfangen von Daten, ist 2021 um 12 Prozent gestiegen. Noch drastischer ist der Anstieg bei der Verbreitung von Kinderpornografie, bei der die Statistik ein Plus von fast 109 Prozent ausweist.

Statistik spiegelt nicht Kriminalität wider

Der Leiter des Instituts für Cyberkriminologie an der Hochschule der Polizei Brandenburg, Thomas-Gabriel Rüdiger, folgt eher dieser Argumentation. „Dass der Rückgang nur auf eine gute Polizeiarbeit zurückzuführen ist, wage ich auch zu bezweifeln“, sagt er. Man müsse auch wissen, dass die PKS nicht die Kriminalität abbilde, sondern nur die Zahl der Anzeigen, die die Polizei an eine Staatsanwaltschaft übergibt – unabhängig davon, ob eine Anzeige gerechtfertigt war, ob also tatsächlich etwas passiert ist oder nicht.

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Rüdiger geht davon aus, dass die Kriminalität insgesamt gestiegen, nicht gesunken ist – schon allein, weil die Zahl der Einwohner in Deutschland in den vergangenen Jahren gestiegen sei und somit normalerweise auch die Wahrscheinlichkeit der Anzeigen von Delikten. Im digitalen Raum, wo er einen Großteil des Anstiegs vermutet, würden Delikte aber deutlich seltener angezeigt als im physischen. „Im Netz ist Kriminalität für uns alle so sichtbar und transparent, dass eine Art Gewöhnungseffekt eintreten kann“, sagt der Cyberkriminologe – jede Phishing-E-Mail im Spam-Ordner könne schließlich ein versuchtes Betrugsdelikt sein.

Mehr Manpower gegen Kinderpornografie

Deshalb fordert Rüdiger virtuelle Polizeistreifen – und mehr Ressourcen im Bereich Cybercrime. BKA-Chef Münch sagt, beim Thema Kinderpornografie habe man die Mitarbeiterzahl in den vergangenen Jahren verdoppelt und plane weitere 40 Stellen. Innenministerin Faeser verweist auf Anträge, die sie zur besseren Ausstattung des BKAs und der Bundespolizei gestellt habe.