Pink Kokain gibt es auch in Tablettenform. Der Name „El Tusi“ ist die spanische Variante von „Tusi“ oder „Tucibi“, das auf die englische Aussprache von dem synthetischen Betäubungsmittel „2C-B“ zurückzuführen ist. Foto: IMAGO/S/ascha Steinach

In Schorndorf haben Fahnder ein Kilo „Pink Kokain“ beschlagnahmt. Welche Rolle die Designerdroge bei ihrer Arbeit spielt, davon berichten zwei Suchtberater.

Pink Kokain – das rosa Pulver, von dem Polizeibeamte kürzlich ein ganzes Kilo in Schorndorf beschlagnahmt haben, ist erstmals im Rems-Murr-Kreis aufgetaucht. Es handelt sich dabei nicht um echtes Kokain, sondern um einen synthetischen Stoff, der aus einer variierenden Mischung von stimulierenden, beruhigenden und halluzinogenen Substanzen besteht.

„Die pinke Farbe und zugesetzte Geschmacksstoffe sollen die Droge ansprechender machen“, erklärt Tom Scheppat. „Die Mischung unterscheidet sich von Dealer zu Dealer.“ Scheppat ist Suchtberater im Rems-Murr-Kreis und bietet Beratung, Substitutionsbegleitung und ambulante Rehabilitation an. Die gesundheitlichen Risiken von pinkem Kokain seien schwer pauschal zu bestimmen, da die Inhaltsstoffe des Drogencocktails je nach Mischung unterschiedlich sind. Häufig sei Ketamin enthalten: ein Narkosemittel aus der Human- und Tiermedizin, das in Kombination mit Alkohol schnell zu Atemdepression führen kann – im schlimmsten Fall zum Tod. Pink Kokain gibt es auch in Tablettenform. Der Name „El Tusi“ ist die spanische Variante von „Tusi“ oder „Tucibi“, das auf die englische Aussprache von dem synthetischen Betäubungsmittel „2C-B“ zurückzuführen ist.

Konsum von konservativen Drogen überwiegt

Die Nachfrage nach dieser speziellen Droge scheint derzeit begrenzt: „Wir erleben eher konservativen Drogenkonsum, das heißt Konsum von etablierten Stoffen“, sagt Scheppat. Dass mit Pink Kokain im Landkreis gedealt wird, sei ihnen vor dem Fund nicht bekannt gewesen.

Einige wenige Konsumenten experimentierten jedoch mit sogenannten Research Chemicals oder testeten neu auftauchende Substanzen. „Es gibt durchaus vereinzelte Klienten, die zumeist eh experimentierfreudig sind und neue Substanzen ausprobieren und konsumieren“, sagt Tanja Brous, Mitarbeiterin bei Horizont, einer niederschwelligen Beratung für junge Menschen im Landkreis. So seien Designerdrogen an sich nichts wirklich Neues. „Es gibt immer wieder Trends, die auch in der Beratungsstelle ankommen; etwa Alcopops, Spice oder Purple Drank“, berichtet sie. Bei Purple Drank etwa handelt es sich um eine Mischung aus verschreibungspflichtigem Hustensaft, Schmerztabletten und zerkrümelten Bonbons oder Brausepulver. Teilweise würden auch legale Substanzen konsumiert, die eine Rauschwirkung haben wie zum Beispiel künstlich hergestellte Cannabis-Alternativen oder Produkte des Kratombaumes.

Substanzen tauchen auf und verschwinden wieder

Pinkes Kokain könne durch seine günstige Verfügbarkeit und ansprechende Optik besonders für den Freizeit- und Partydrogenkonsum interessant sein, vermuten die beiden. „Es ist billiger als Kokain, und durch die Farbe wirkt es harmlos und ansprechend“, erklärt Scheppat. Verändertes Konsumverhalten durch das rosa Pulver erwarten die Suchtberater eher nicht: „Die Situation wird sich nicht wesentlich verändern. Menschen konsumieren psychotrope Substanzen aus unterschiedlichen Motiven heraus und werden dies weiter tun“, prognostiziert Scheppat. Brous fügt hinzu: „Es wird immer wieder neue Substanzen geben, die auftauchen und auch wieder verschwinden.“ Gerade tauchten wieder mehr Research Chemicals auf, dabei handelt es sich um eine Vielzahl von Substanzen, die meist im Zuge von medizinischen Forschungen hergestellt werden oder als Nebenprodukt an- beziehungsweise abfallen und deren Wirkungen bislang kaum erforscht sind.

Beratungsdienst in Klinik und Jobcenter

Um die Bevölkerung über die Gefahren des Drogenkonsums aufzuklären, werden im Landkreis verschiedene Maßnahmen ergriffen. Darunter Social Media, Präventionsangebote durch Suchtberatungsstellen und diverse Jugendhilfeorganisationen sowie die Schulsozialarbeit. „Durch Angebote wie Drug-Checking, Safer-Use-Schulungen oder Beratung hinsichtlich Suchtmittelreduktion oder Abstinenz und Vermittlung in Entgiftung und Entwöhnung geben Suchtberatungsstellen Unterstützung“, erklärt Scheppat. Beim Drug-Checking werden auf dem Schwarzmarkt gehandelte Drogen auf Wirkstoffgehalt und Zusammensetzung getestet, um Konsumenten über gefährliche Inhaltsstoffe zu informieren. Außerdem gebe es spezielle niederschwellige Angebote wie „Horizont“, das sich an junge Menschen richtet, sowie Liaisondienste im Rems-Murr-Klinikum und Konsiliardienste im Jobcenter.

Safer-Use, Entgiftung und Entwöhnung

Für Menschen, die bereits abhängig sind, bieten die Suchtberatungsstellen Unterstützung in Form von Beratung, Vermittlung in Entgiftung und Entwöhnung sowie ambulante Behandlung, erklärt Scheppat. Brous ergänzt: „Außerdem gibt es noch die Kontaktaufnahme über unsere Kooperationspartner wie Schulsozialarbeit, Mobile Jugendarbeit, dazu die Außensprechstunde, Aufsuchende Arbeit und ähnliches.“

Guter Kontakt ist wichtig

Dass bereits Kinder in ihrem Alltag Drogen begegnen, sei quasi unvermeidlich. „Kinder kommen in Kontakt mit Drogen“, sagt Scheppat. „An jeder Schule gibt es jemanden, der jemanden kennt, der verkauft oder konsumiert.“ Eltern empfiehlt er, in gutem Kontakt mit ihren Kindern zu stehen und auf ungewöhnliche Veränderungen zu achten; beispielsweise Leistungsabfall, Fehlzeiten oder ungewöhnliche, extrem weite oder enge Pupillen und gegebenenfalls das Gespräch zu suchen.

Langfristige Strategien zur Bekämpfung des Drogenproblems in der Region umfassen die Aufrechterhaltung und den Ausbau bestehender Angebote, die Bereitstellung aufklärender Angebote und die Entstigmatisierung durch öffentliche Diskussion und Aufklärung. Kilian Frey, Fachbereichsleiter Suchtberatungs- und ambulante Behandlungsstelle beim Kreisdiakonieverband Rems-Murr betont die Kooperation mit dem Landratsamt und der Beratungsstellen: „Im Rems-Murr-Kreis unterstützt das Landratsamt die Beratungsstellen und ist im Austausch mit diesen. Daneben sind die Beratungsstellen mit vielen Einrichtungen der sozialen Arbeit, aber auch darüber hinaus gut vernetzt. Dadurch sind wir meist in der Lage, auch auf neuere Entwicklungen passend zu reagieren.“