Ab Ende August finden in Filderstadt-Sielmingen sonntags kostenlose Pilzberatungen statt. Silvia Bosch und Helmut Walz aus Bernhausen bieten sie ehrenamtlich an. Die Eheleute erklären, warum man sich nicht auf Apps verlassen darf.
Es klingt so idyllisch: Bei einem gemütlichen Spaziergang durch den Wald entdeckt man Pilze, die dort zuhauf wachsen. Was könnte verlockender sein, als welche zu pflücken und zuhause zu einem leckeren Abendessen zu verarbeiten? Dass das nicht so einfach ist, wissen Silvia Bosch und Helmut Walz aus Filderstadt-Bernhausen: Was aussieht wie ein Pfifferling, könnte auch ein Ölbaumtrichterling sein – und der kann krank machen. Die beiden Experten geben Tipps.
Frau Bosch, Herr Walz, warum sind Pilzberatungen so wichtig?
Helmut Walz Letztendlich ist die Pilzberatung dazu da, um die Pilze noch mal anzuschauen, ob es zunächst einmal essbare sind und zweitens, ob sie nicht zu alt sind. Ganz viele Speisepilze, die uns vorgelegt werden, sind einfach zu alt. Nach dem Verzehr von zu alten Pilzen kann es zu einer Lebensmittelvergiftung kommen. Auch werden gesammelte Pilze oft nicht korrekt gelagert. Viele wissen nicht, dass man Pilze wie Fleisch behandeln sollte – kühl luftig im Kühlschrank. Die lassen sie im Korb, stellen sie auf die Terrasse. Da vergammeln sie.
Es scheint, als wäre die ältere Generation früher sehr firm gewesen im Bestimmen von essbaren Pilzen. Ist das heute verloren gegangen?
Silvia Bosch Das kann ich nicht sagen. Ich habe manchmal auch den Eindruck, bei vielen Leuten ist das Interesse an der Natur seit Corona geweckt.
Walz Unsere Führungen sind auch sehr schnell ausgebucht, die Menschen wollen back to the roots oder so. Und dann sind sie natürlich unerfahren. Früher war man eher mit der Natur verbunden, das ist natürlich auch eine Entwicklung.
Bosch Es ist ja auch so, dass durch den Klimawandel hier Verwechslungspilze auftauchen, die es früher nicht gab. Es ist daher auch interessant, selbst einen Pfifferling vorbeizubringen, weil es in der Zwischenzeit den Ölbaumtrichterling gibt. Der kommt aus dem Mittelmeerraum. Letztes Jahr hat den eine Familie aus dem Kreis Esslingen gesammelt und gegessen und war anschließend im Krankenhaus.
Sie sind jetzt im dritten Jahr Pilzsachverständige. Was konnten Sie in der Vergangenheit schon herausfiltern?
Walz In Stuttgart bei der Pilzberatung, da waren von den Speisepilzen circa 50 Prozent so alt, dass wir sie aussortiert haben. Wenn die Leute sie gegessen hätten, hätten sie vermutlich Magen-Darm-Probleme bekommen. Hier in Sielmingen ist die Qualität der gebrachten Pilze meist noch gut. Was ich sagen kann, wir hatten im vergangenen Jahr 14 Fälle über den Giftnotruf. Unser Ziel ist natürlich, durch unsere Beratung diese Anzahl zu reduzieren.
Wie erkenne ich denn einen verdorbenen Pilz?
Walz In der Regel am gammeligen Geruch, an der Konsistenz. Er wird weich.
Bosch Wenn man mit dem Finger auf den Hut drückt, gerade bei einem Röhrling, und diese Delle bleibt, ist er meistens schon zu weich. Lamellenpilze wie Champignons sind dann auch ganz aufgeschirmt, und die Lamellen haben sich durch das Sporenpulver farblich verändert, etwa beim Champignon kakaobraun.
Was sind sonst die häufigsten Fehler?
Bosch Verwechslungen. Was es oft gibt, ist, dass man gerade beim Champignon den Karbolchampignon erwischt, der ist magen-darm-giftig. Der wächst häufig im Garten. Den kann man zum Beispiel vom essbaren Champignon durch den Karbolgeruch und die chromgelbe Verfärbung der Stielbasis, wenn man mit einem Messer daran kratzt, unterscheiden.
Walz Man kann sagen, zu jedem Speisepilz gibt es mindestens einen Doppelgänger.
Gibt es mittlerweile eigentlich gute Apps, die die Suche sicherer machen?
Walz Nein! Das Problem bei den Handys ist, dass sie nur visuell unterscheiden können. Aber einen Pilz muss man von oben und unten anschauen, man muss dran riechen, eventuell muss man mit dem Messer ein bisschen kratzen. Das schafft ein Programm nicht. Ich teste diese Apps immer mal wieder. Man darf sich auf gar keinen Fall auf eine App verlassen.
Was müssen Sammler grundsätzlich noch beachten?
Walz Sie sollten die Pilze in einem luftigen Korb sammeln, auf keinen Fall in einer Plastiktüte. Und sie sollten nicht einfach wild Pilze sammeln und alle in den Korb werfen, denn wenn dort ein tödlich giftiger Pilz dabei wäre, dann müsste man den ganzen Korb verwerfen. Es könnten ja irgendwelche Partikel an den anderen Pilzen dran sein. Man sollte die Pilze im Ganzen sammeln und nicht einfach irgendwo abschneiden, weil man oftmals für die Beurteilung den ganzen Pilz braucht, auch die Stielbasis. Wichtig: Es dürfen nur maximal ein bis zwei Kilogramm Pilze pro Tag für den Eigenbedarf gesammelt werden.
Beratung von Experten
Beratung
Die Eheleute Silvia Bosch (57) und Helmut Walz (68) aus Bernhausen sind von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie geprüfte Pilzsachverständige und Mitglieder im Verein der Pilzfreunde Stuttgart. Der bietet ab Ende August montags ab 16.30 Uhr in der Markthalle in Stuttgart Pilzberatungen an. Zudem engagiert sich das Paar ehrenamtlich beim Giftnotruf, das heißt, es versucht Pilze zu bestimmen, wenn Menschen nach dem Genuss gesundheitliche Probleme haben.
Termine
Am 25. August, 8. September, 15. September, 6. Oktober, 20. Oktober und 3. November bieten sie jeweils von 14.30 bis 16.30 Uhr schon zum zweiten Mal im Quartiersladen an der Sielminger Hauptstraße 40 kostenlose Beratungen an. Dabei können gesammelte Pilze vorgelegt werden.