Im Lehr- und Versuchsgarten Tachenhausen (Kreis Esslingen) gibt es rund 100 verschiedene Pfingstrosenzüchtungen. Gärtnermeister Joachim Teeuwen kann viel über die Blume erzählen.
Der große Auftritt von Baroness Schroeder lässt auf sich warten. Noch will sie sich nicht in voller Schönheit zeigen – mit üppigen, schneeballgroßen, cremeweißen Blüten auf grünem Blätterkleid. Auch ihr Begleiter zur linken, Monsieur Jules Elie, hält seine vielen Knospen ziemlich bedeckt. „Die vergangenen Tage waren zwar warm, aber die Nächte noch recht kühl“, erklärt Joachim Teeuwen die Zurückhaltung.
Wie sieht es denn aus mit der Pfingstrosenblüte zu Pfingsten? „Vielleicht wird es eine Punktlandung“, sagt der Gärtnermeister mit prüfendem Blick auf die Beete des Hofguts Tachenhausen. Aber Prognosen seien immer schwierig, räumt Teeuwen ein. Je nach Pflanzenart und vor allem je nach Wetterlage stehen Pfingstrosen zwischen Ende April und Mitte Juni in voller Blüte. Also in jenem Zeitraum, in dem die Feiertage liegen. „Daher kommt wohl die umgangssprachliche Bezeichnung Pfingstrose“, sagt der Leiter des Lehr- und Versuchsgartens der Nürtinger Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU).
Von der heilenden Wirkung der Pfingstrose
Ihr botanischer Name „Paeonia“ leitet sich aus der Antike ab – nach Paeon, dem griechischen Gott der Heilkunde. Denn der Pfingstrose wird eine heilende Wirkung bei vielen Beschwerden zugeschrieben. In Form von getrockneten Wurzeln oder als Pulver gilt sie als Krampflöser, Entzündungshemmer und Schmerzlöser. Schon die Benediktinermönche nutzten sie im frühen Mittelalter als Medizinpflanze. Von den Klöstern aus fand die Pfingstrose dann ihren Weg in die Bauerngärten.
Im Volksmund wird die Pfingstrose auch oft als „Rose ohne Dornen“ bezeichnet. „Aber streng genommen ist es keine Rose“, erklärt Teeuwen: Pfingstrosen hätten zwar ähnliche Blüten, bilden aber eine eigene Pflanzenfamilie, die Paeoniaceae. Es gibt weltweit 32 Arten als Stauden, Halbsträucher und Sträucher.
Wichtigstes Ursprungsland ist China, dort wird die als „Blume des Kaisers“ verehrte Kulturpflanze schon seit Tausenden Jahren gezüchtet. Im 18. Jahrhundert gelangten die Edelgewächse nach Europa und werden seither weiter gekreuzt. Inzwischen existiert eine große Anzahl an einfach, halbgefüllt und gefüllt blühenden Sorten, schwärmt Teeuwen von dieser „wunderbaren Pflanze“.
In der bei Oberboihingen gelegenen Gartenanlage der HfWU ist den Staudenpäonien ein eigener Bereich gewidmet – eingerahmt von einer Buchsbaumhecke und mit Chinaschilf zwischendrin gebührend in Szene gesetzt. Der historische Pfingstgarten geht auf eine Schenkung der ehemaligen Staudengärtnerei Otto aus Nürtingen zurück. Im Herbst 2002 konnten Teeuwen und sein Team ein breites Pfingstrosensortiment aus dem Familienbesitz entgegennehmen – knapp 100 verschiedene Sorten, die von 1824 bis in die 1970er-Jahre gezüchtet worden sind.
Verblühte Pfingstrosen entfernen, schönere Blüten im nächsten Jahr
Überwiegend handelt es sich um Bauern-Pfingstrosen und Chinesische Pfingstrosen. Die opulent gefüllten, intensiv duftenden Blüten in Weiß, Gelb, Lachsrosa, Purpurrot und Pink hatten es Alfred Otto besonders angetan. 1903 fing er an, sie zu kultivieren. „Unsere Aufgabe ist es nun, diese alten Sorten zu bewahren“, erklärt Teeuwen. Die Blumen würden als Referenzpflanzen zur Sortenbestimmung dienen.
Gezüchtet und vermehrt wird auf Tachenhausen nicht – auch weil auf dem Gelände einfach kein Platz für weitere Pflanzen ist. „Sobald die Blüte vorbei ist, entfernen wir die Samenstände“, erläutert der Gärtnermeister. Die Pflanzen sollen ihre ganze Kraft lieber in die Wurzelbildung stecken. „Schon im Sommer wird der Grundstein gelegt für eine möglichst üppige Blüte im nächsten Jahr.“
Päonien sind laut Teeuwen für den großen Auftritt im Garten geradezu gemacht. „Pfingstrosen sind robust und pflegeleicht. Wenn man ein paar Dinge beachtet, hat man jahrzehntelang etwas davon.“ Idealerweise werden sie im Oktober gepflanzt – wobei der richtige Standort wichtig ist: „Pfingstrosen mögen eher einen sonnigen, trockenen Platz und einen durchlässigen Boden.“ Im Frühjahr und in der Blütezeit sollten sie gedüngt und gewässert werden, „aber nicht zu viel“, rät Teeuwen. Und um zu verhindern, dass die dicken, schweren Blütenköpfe an den bis zu einem Meter hohen Stängeln abknicken, sei eine praktische Stütze hilfreich.
Pfingstrosen im Herbst: Blätter in verschiedenen Rottönen
Selbst ohne die dekorativen Blüten haben die ausladenden Pfingstrosen ihren Reiz – vor allem, wenn sich die vielen Blätter im Herbst in verschiedene Rottöne verfärben, findet der Fachmann. Ist das Laub komplett vertrocknet, sollte man es bodennah abschneiden. „Da kann man eigentlich nichts falsch machen“, beteuert Teeuwen. Im nächsten Frühjahr treibt die winterharte Pflanze dann wieder aus.
Hofgut Tachenhausen
Funktion
Der einstige Gutshof Tachenhausen bei Oberboihingen, dessen wechselvolle Geschichte bis in 13. Jahrhundert zurückreicht, ist seit 1526 im Besitz der Stadt Nürtingen. Pächter ist das Land Baden-Württemberg. Die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) nutzt das Hofgut als Versuchsbetrieb.
Gartenvielfalt
Im Lehr- und Versuchsgarten Tachenhausen werden gängige Pflanzen vorgestellt, die in der Landschaftsarchitektur und -planung Verwendung finden. Das Gehölzsortiment umfasst 600 Arten und Sorten, zudem sind rund 1100 Stauden zu sehen. Im Bauerngarten werden 85 bis 120 verschiedene Sommerblumen in jährlich wechselnder Gestaltung präsentiert. Ein Sonderbereich ist der historische Pfingstrosengarten.
Besuch
Die Gartenanlage steht jedermann offen und kann ganzjährig täglich von 8 bis 20 Uhr besichtigt werden. Der Eintritt ist frei.