Das frisch sanierte Pfarrhaus in Musberg Foto: Günter E. Bergmann

Aus dem 16. Jahrhundert stammen Kirche, Pfarrhaus und Pfarrscheuer in Musberg. Die Sanierung des Pfarrhauses, in den vergangenen Jahren fertiggestellt, hat nun einen Preis bekommen.

Das Ensemble von Kirche, Pfarrhof und Pfarrscheuer in Musberg ist nicht nur denkmalgeschützt, sondern hat auch turbulente Zeiten hinter sich – nicht nur in den vergangenen fünf Jahren. Die standen nämlich ganz im Zeichen der längst überfälligen Sanierung: Die des Pfarrhauses ist abgeschlossen und sogar jüngst mit dem Preis „Beispielhaftes Bauen“ der Architektenkammer Baden-Württemberg ausgezeichnet worden.

Der ursprüngliche Plan war gewesen, mit der Sanierung der Pfarrscheuer zu beginnen. Die steht seit 1974 leer, als ein neues Gemeindehaus gebaut wurde und die Scheuer nicht mehr gebraucht wurde. „2018 gab es dann die Idee, das große Gemeindehaus abzustoßen und das kleine – die Scheuer – wieder zu aktivieren“, so Nikolai Ziegler, promovierter Architekt, selbst Musberger, der mit seiner Firma Aedis die Arbeiten übernommen hat. Dann jedoch gab der Kirchengemeinderat eine andere Richtung vor: der Musberger Pfarrer Müller ging in den Ruhestand, die Pfarrstelle wurde ausgeschrieben. Das Heim für die neue Pfarrfamilie zu sanieren, hatte nun Priorität. Das Team um Nikolai Ziegler wandte sich dem Pfarrhaus zu. „Es entstand die Idee“, erzählt Ziegler, „im Erdgeschoss barrierefrei das Pfarramt einzurichten, und im Obergeschoss die Pfarrwohnung.“

Das Fachwerk war beschädigt

2019 startete der Rückbau, bei dem teilweise Skurriles gefunden wurde, etwa sieben Bodenbeläge, die übereinander verlegt worden waren. Das Fachwerk wurde freigelegt, „dabei haben wir festgestellt, dass es stark beschädigt war“, so Ziegler. Der Architekt recherchierte – und fand heraus, dass das Fachwerk bis zum Zweiten Weltkrieg verputzt gewesen war. „Es war gar nicht als sichtbares Fachwerk angelegt“, so Ziegler. 1950 sei es freigelegt worden und dann bis 2020 der Witterung ausgesetzt gewesen. „70 Prozent der Holzkonstruktion waren beschädigt.“ Die maroden Holzbalken im Fachwerk wurden ersetzt, mit Lehmsteinen und Mörtel repariert und mit Kalkputz versehen.

Zwei historische Fenster waren noch da – diese wurden dann nachgebaut und überall eingesetzt. Auf dem Dachboden fand das Team alte Originalziegel, und auch hier wurde das historische Vorbild kopiert: Rund 15 000 rote Ziegel in Biberschwanzform wurden hergestellt und für das Dach verwendet. Im Erdgeschoss bestehen die Wände des Pfarrhauses aus Naturstein – sogar aus einem Sandstein, der ganz aus der Nähe stammt, nämlich aus Waldenbuch. Und da dort heute wie damals Sandstein abgebaut wird, konnte derselbe Sandstein, der bei der Erbauung verwendet wurde, jetzt zur Reparatur und zum Ersatz beschädigter Steine in Wand und Boden verwendet werden. „Das Haus hat seine Würde zurückbekommen“, sagt Nikolai Ziegler.

Im April 2022 waren die Arbeiten soweit abgeschlossen, dass die neue Pfarrfamilie Balles einziehen konnte. „Wir fühlen uns wohl und empfinden es als riesiges Privileg in diesem großzügigen und zentral gelegenen Haus leben zu dürfen“, sagt Pfarrer Lukas Balles. „Und darüber nachzudenken, was das Haus schon alles erlebt hat, erfüllt einen mit Ehrfurcht.“ Da im Pfarrberuf sowieso die Trennung von Beruf und Privatleben nicht einfach sei, erzählt Balles, sei seine Familie dankbar für die neue Aufteilung der Räumlichkeiten, also das Pfarramt im Erdgeschoss und die Pfarrwohnung im oberen Stockwerk.

Der sanierte Natursteinboden im Erdgeschoss des Pfarrhauses. Foto: Aedis

Dass den langwierigen und nicht immer einfachen Arbeiten schließlich noch eine Auszeichnung folgte, davon ist Architekt Nikolai Ziegler immer noch überwältigt. „Schatzkästchen“ nennt er das Pfarrhaus. Die Sanierung der Pfarrscheuer, die zugunsten des Pfarrhauses hintenan gestellt wurde, ist jetzt als nächstes dran. „Der Preis gibt uns Rückenwind und neue Motivation, um die Scheuer in Angriff zu nehmen“, sagt Ziegler.

Ohne großen Einsatz geht es nicht

Ziegler, 39, stammt aus Musberg und wohnt auch hier. Er weiß, dass Projekte wie dieses ohne ehrenamtlichen Einsatz nicht möglich sind. „Wenn sich keine engagierten Leute einsetzen, werden solche Häuser abgerissen.“ Gerade kleinere Gemeinden hätten oft nicht die notwendigen Mittel, es brauche Mitstreiter, die Projekte vorantreiben. „Die Werte, die man hat, die muss man doch behalten“, ist Nikolai Ziegler überzeugt. Die Firma Aedis , in deren Vorstand er ist, hat sich auf Restaurierung und Denkmalpflege spezialisiert, versammelt viele verschiedene Gewerke und Fachrichtungen, sodass Projekte interdisziplinär bearbeitet werden können. Derzeit ist er an Instandsetzungsarbeiten am Schloss Ludwigsburg beteiligt. Andere Projekte von Aedis waren beispielsweise die Stuttgarter Stiftskirche, das Schiller-Nationalmuseum in Marbach und der Eingangspavillon der Wilhelma.

Bei der Preisverleihung. Von links Juryvorsitzender Daniel Lindemann; Architekt Dr. Nikolai Ziegler, Bauherrenvertreter Heinrich Hegger, Landrat Marcel Musolf. Foto: Max Kovalenko

Ein „ganz verrücktes Projekt“ nennt Ziegler die Sanierung der Pfarrscheuer. Das Haus soll ein Untergeschoss bekommen, weshalb das Gebäude im Ganzen hochgehoben, mit einem Untergeschoss erweitert und wieder aufgesetzt werden soll. Und auch hier haben sich schon spannende Erkenntnisse ergeben: Im Zuge der Rückbauarbeiten haben gefundene Schadstellen am Dach gezeigt, dass das Dach früher mit Reet gedeckt gewesen ist, vor 450 Jahren an vielen landwirtschaftlichen Gebäuden üblich. Welche weiteren Geheimnisse das Team um Ziegler der Pfarrscheuer entlocken kann, wird sich zeigen.

Die Ursprünge des Pfarrensembles und die Auszeichnung

Vorhaben
Eine bereits bestehende Kapelle wird 1561 zur Dreifaltigkeitskirche umgebaut und erweitert, das Pfarrhaus stammt aus dem Jahr 1564. Von 1581 ist die Pfarrscheuer. Das denkmalgeschützte Ensemble sollte erhalten und behutsam saniert werden, so der Plan, unter Verwendung von nachhaltigen Baumaterialien.

Was die Fachjury zur Auszeichnung erklärte
„Die Alternative zum Umbau war der bereits diskutierte Abbruch. Damit hätte der alte Ortskern eindeutig seine historische Mitte verloren. Das kulturelle Erbe und die Ensemblewirkung von Kirche, Pfarrhaus und Pfarrscheune mit der umgebenden Kirchmauer wären unwiederbringlich zerstört worden. Ein Gebäude aus dem Jahre 1564 und dazu in sehr schlechtem Zustand erhalten sanieren zu wollen, erfordert neben den entsprechenden Finanzmitteln auch außergewöhnlich viel Mut, Energie und Überzeugungskraft. Das umgesetzte Konzept einer gemischten Nutzung bietet die Chance zur dauerhaften Belebung des Gebäudes. Statt Abriss eine gelungene Sanierung – ein wahrhaft beispielhafter Umgang mit dem Gebäudebestand.“