Er soll mehr erklären, informieren und einbinden – das fordern die Kritiker von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Unzufriedenheit mit dem Bundesgesundheitsminister nimmt zu. Insbesondere die Ministerpräsidenten fühlen sich nicht eingebunden.

Berlin - Karl Lauterbach (SPD) ist kein typischer Minister. Minister müssen keine Experten sein. Dafür gibt es in ihren Ressorts genug Fachleute. Minister müssen entscheiden und ihre Entscheidungen vorbereiten und erklären. Das ist das eigentliche Geschäft der Politik. Lauterbach ist aber Experte. Kein Kabinettskollege bringt so viel Wissen über seinen Zuständigkeitsbereich mit wie der Mediziner und Gesundheitsökonom Lauterbach. Das hat ihn an die Spitze des Gesundheitsministeriums gebracht, denn in der Bevölkerung gab es das verbreitete Gefühl, dass in Pandemiezeiten jemand das Haus leiten sollte, der auch genau weiß, wovon er redet.

Lauterbach steht derzeit an einer Weggabelung

Lauterbach ist noch immer populär. Aber er steht derzeit an einer Weggabelung. Die Probleme, mit denen er zu kämpfen hat, beginnen sich zu häufen. Das ist einerseits nicht verwunderlich, denn die Pandemie hat ihren Höhepunkt noch gar nicht erreicht. Andererseits verstärkt sich der Eindruck, dass ein Teil dieser Probleme eher im Wesen Lauterbachs selbst liegen, der als Wissenschaftler mehr studiert als kommuniziert. Ein Überblick über die sich häufenden Baustellen:

Manche Ministerpräsidenten dringen auf ein flexibleres Einführungsdatum der berufsbezogenen Impfpflicht, wollen abwarten, bis der Totimpfstoff von Novavax verfügbar ist. Lauterbach will aber das Tempo nicht drosseln. Ihm wird vorgehalten, hier hart zu sein, sich bei der allgemeinen Impfpflicht aber in die Büsche zu schlagen, da er als Minister keine Stellung nimmt, immer nur als Abgeordneter spricht, wenn er eine allgemeine Pflicht zur Impfung ab 18 Jahren fordert.

Der größte Ärger: die Verkürzung des Genesenen-Status

Das kann Lauterbach wegstecken, hier geht es nicht um persönliche Fehler oder Versäumnisse. Aber auch die werden ihm vorgehalten. Vor allem aus den Ländern kommen kritische Fragen, warum denn jetzt nicht genug PCR-Tests zur Verfügung stehen. Hätte die Inventur zur Amtsübernahme die Lücke nicht zutage fördern müssen? So eindeutig ist die Sachlage hier nicht. Durchaus wahrscheinlich, dass der Aufbau von hinreichenden Kapazitäten ein so langfristiges Projekt ist, dass schon unter Amtsvorgänger Jens Spahn hätte vorgesorgt werden müssen.

Die mit Abstand größte Verärgerung löste Lauterbach allerdings aus, als das Robert-Koch-Institut gemeinsam mit dem Paul-Ehrlich-Institut buchstäblich von heute auf morgen den Genesenen-Status von sechs auf drei Monate halbierte. Lauterbach redete in der kurz davor stattfindenden Bundesratssitzung, äußerte sich aber zu dieser Maßnahme nicht. Er hat damit die gesamte Front der Ministerpräsident gegen sich aufgebracht. Der sonst für seine ausgleichende Art geschätzte hessische Regierungschef Volker Bouffier (CDU) ging Lauterbach in der Ministerpräsidentenkonferenz vom Montag frontal an. Kolportiert wird der Satz, er fühle sich von Lauterbach „persönlich hintergangen“.

Noch kann der Minister die Situation beherrschen

Zumindest wenig informiert und eingebunden fühlen sich auch die Abgeordneten. In der Opposition wird darüber Klage geführt, dass der Minister den zuständigen Fachausschuss zu selten besuche und dort zu allgemein informiere.

Noch kann Lauterbach die Situation beherrschen. Er ist noch immer ein populärer Minister. Vielen hat durchaus gefallen, wie er sich gleich zu Beginn seiner Amtszeit um genügend Impfstoff bemüht hat. Aber sein Prestige-Projekt, die schnelle Booster-Impfung, verliert gerade an Fahrt. Und Omikron wird seinen Höhepunkt erst noch erreichen. Da kann man noch viel falsch machen. Fehler aber sollte er nun um jeden Preis vermeiden.