Gianni Di Stefano brachte das südländische Lebensgefühl nach Berlin. Foto: privat

Ihr Buch „Nostalgia Siciliana“ stellt Patrizia Di Stefano am 18. Oktober in der Stadtbücherei im Kubino Nellingen vor. Die Autorin erinnert an ihren italienischen Vater, der seinerzeit als Gastarbeiter nach Berlin gekommen war.

Das Leben zwischen zwei Kulturen reflektiert die Berlinerin Patrizia Di Stefano in ihrem Roman „Nostalgia Siciliana“. Darin erzählt sie die Geschichte ihres Vaters, der in den 1960er Jahren aus Italien als Gastarbeiter nach Deutschland kam. Am Freitag, 18. Oktober, stellt sie das Buch in der Stadtbücherei im Kubino in Nellingen vor. In Zeiten des europaweiten Rechtsrucks ist es der Autorin wichtig, Brücken zu schlagen.

Frau Di Stefano, in „Nostalgia Siciliana“ greifen Sie ein Familienthema auf. Es geht um Ihren Vater, der als Gastarbeiter nach Deutschland kam. Auch heute sind Fachkräfte aus dem Ausland gefragt. Doch ihnen schlägt Feindseligkeit entgegen. Haben Sie beim Schreiben die aktuelle Lage mitgedacht?

Ich glaube, das Thema ist aktueller denn je. Die ersten Gastarbeiter, die aus Italien kamen, wurden auch damals schon misstrauisch beäugt. Da ging es nicht um Dolce Vita und Bella Italia, wie wir uns das heute vorstellen. Sie galten als faule Frauenverführer. Es wurde erwartet, dass sie arbeiten. Aber sie sollten sich nicht mit den Deutschen mischen. Deshalb hatten die Italiener eigene Gaststätten. Im Raum Köln gab es einen eigenen Fußballverein. Als ein Mann, der eine Deutsche heiraten wollte, hatte es mein Vater schwer. Aber meine Großeltern mütterlicherseits waren liberal eingestellt. Heute erleben wir in Europa einen Rechtsruck – in Italien wie in Deutschland. So schwingt der Europagedanke mit.

Als Tochter sind Sie ja mit der italienischen Kultur aufgewachsen. Wurde bei Ihnen daheim Italienisch gesprochen?

Genau das Gegenteil ist der Fall. Mein Vater als Gastarbeiter wollte deutscher sein als deutsch. Wir haben zuhause ausschließlich deutsch gesprochen. Später musste ich mir die italienische Sprache mühsam erarbeiten.

Ist der Roman „Nostalgia Siciliana“ ein autobiografisches Werk?

Die Geschichte meines Vaters ist zu 100 Prozent autobiografisch. Es ist so, dass ich das Landgut, um das es im Roman geht, tatsächlich geerbt habe. Unseren Familienbesitz haben mein Bruder, meine Cousinen und ich bekommen. Aber manches im Roman ist auch Fiktion. Als Autorin beide Möglichkeiten auszuloten, hat mir gefallen.

Ein roter Faden ist das Leben zwischen den Kulturen. Wie gehen Sie damit um?

Das ist für mich ein großes Thema. Es gab 20 Jahre in meinem Leben, in denen ich nicht auf Sizilien war. Erst im Studium in Mailand habe ich mich der Vergangenheit gestellt. Ich habe mich in den Zug gesetzt und bin nach Sizilien gefahren, denn die süditalienische Kultur hat mich nie losgelassen. Das war krass. Das Sizilianische, dieses leicht melancholische und emotionale Wesen, das steckt in einem drin. Mein Buch lebt von Kontrasten – genau wie Sizilien auch von Kontrasten lebt. Die Insel ist nie nur schön, sondern auch ein bisschen hässlich. Und auch die Küche ist so – nicht nur süß, auch bitter. Die Pole zu zeigen, fand ich spannend.

Als Grafikerin orientieren Sie sich am Visuellen. Das ist im Roman herauszulesen. Denn Sie nehmen das Publikum mit wunderschönen Bildern auf eine Reise mit. Prägt Ihr Beruf Ihr Schreiben?

In meinem Berufsleben habe ich viele Buchcover gestaltet. Aber als ich mein eigenes Buch verpacken musste, war das schwer. Beim Schreiben ist man frei – man kann die Handlung so lenken, wie man möchte. Das habe ich genossen. Aber beim Gestalten ist man immer auf irgendwelche Gegebenheiten angewiesen.

Was hat Sie dazu bewogen, ein Buch zu schreiben?

Für meine drei Söhne wollte ich eine Chronik schreiben, die ihnen das bewegte Leben ihres Großvaters nahebringt. Anekdoten wollte ich ebenso sammeln wie Kontraste zwischen dem Sizilien der 1960er Jahre und dem Berlin der 70er Jahre – beide sind ja auf ihre Art Inseln. Mein Vater kam nach Deutschland, weil seine Eltern ihn dazu gedrängt hatten, Priester zu werden. Dieser Enge wollte er entfliehen, er ging weg, um Medizin zu studieren. Doch er musste erst mal Geld verdienen. Er wurde Gastronom und wollte in seinem Restaurant Gattopardo in Berlin feine italienische Küche anbieten. Doch die Leute wollten Pizza. Da er mit der Produktion kaum nachkam, kreierte er die Tiefkühlpizza. Diese Geschichte möchte ich den nächsten Generationen überliefern. Der Aufbau-Verlag gab mir die Chance, sie einem breiteren Publikum zu erzählen.

Lesung mit Pizza und Wein

Biografisches
 Patrizia Du Stefano wurde 1966 in Berlin geboren. Die Mutter dreier Söhne lebt auch heute noch mit der Familie und mit drei Windhunden in Schlachtensee. Sie arbeitet als Grafikerin und als Autorin. Ihre Buchcover sind mehrfach preisgekrönt.

Zur Lesung
 Italien ist Ehrengast bei der Frankfurter Buchmesse, die am 16. Oktober beginnt. Passend dazu hat die Stadtbücherei Ostfildern mit der Bürgerstiftung die Autorin Patrizia Di Stefano eingeladen, welche Brücken zwischen Deutschland und Italien baut. Die Lesung mit Wein und Pizza beginnt am 18. Oktober, 20 Uhr, im Kubino. Der Eintritt kostet 15 Euro. Eine Kartenreservierung ist unter www.reservix.de möglich – oder in der Stadtbücherei im Kubino, In den Anlagen 6, Nellingen.