Sahra Wagenknecht will eine eigene Partei gründen. Doch wie schwierig ist das? Der Parteienforscher Uwe Jun von der Universität Trier erklärt, was Wagenknecht und ihre Mitstreiter jetzt machen müssen – und ob sie erfolgreich sein könnten.
„Bündnis Sahra Wagenknecht – für Vernunft und Gerechtigkeit“, so soll die neue Partei von Sahra Wagenknecht heißen. Für die Parteigründung müssen allerdings einige Voraussetzungen erfüllt sein. Welche das sind, weiß Uwe Jun, Professor für das Politische System der Bundesrepublik Deutschland an der Universität Trier.
Wie schwierig ist es, in Deutschland eine Partei zu gründen?
Nicht schwierig. Für die Gründung einer Partei sind die formellen Hürden gering. So gut wie jeder kann eine Partei gründen. Damit eine Partei auch an Wahlen teilnehmen kann, müssen die Mitglieder allerdings in der Mehrheit deutsche Staatsbürger sein. Sonst bliebe der Zusammenschluss eine politische Vereinigung. Den ersten wichtigen Schritt hat Sahra Wagenknecht schon vollzogen: Sie hat einen Verein gegründet und diesen in das Vereinsregister von Mannheim eintragen lassen. Der Vorstand einer Partei muss aus mindestens drei Personen bestehen. Für die Wahlteilnahme sind zusätzliche Dokumente vorzulegen.
Welche sind das?
Wichtig ist die Parteisatzung, in der neben dem Namen zum Beispiel auch der Aufbau der Parteiorgane festgelegt ist. Dazu muss geregelt sein, wie neue Mitglieder aufgenommen werden und wie ein Vorstand zustande kommt. Unerlässlich ist auch ein Parteiprogramm. Hier stehen die grundsätzlichen Forderungen, Ziele und Werte der Partei.
Wer überprüft die Dokumente?
Der Bundeswahlleiter oder die Bundeswahlleiterin. Zurzeit ist Frau Dr. Ruth Brand, die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes, Bundeswahlleiterin. Sie und ein Gremium aus Juristen und Vertretern unterschiedlicher Vereine, Gewerkschaften und Parteien überprüfen, ob alle Mindestanforderungen erfüllt sind. Und ob eine ernsthafte Absicht erkennbar ist, dass die Partei am Parteienwettbewerb teilnehmen möchte.
Darf jede Partei dann auch bei Wahlen antreten?
Nicht sofort, zunächst muss der Bundeswahlausschuss die Partei zur Wahl zulassen. Geht es um Landtagswahlen, entscheidet der zuständige Landeswahlausschuss. Ein wichtiges Kriterium dabei ist die Mitgliederzahl.
Das Parteiengesetz schreibt zwar keine konkrete Mindestanzahl an Mitgliedern vor. Allerdings sollten es so viele sein, dass die Partei ernsthaft an der politischen Willensbildung teilnehmen kann – und sie sollte über einzelne Personen hinaus in der Gesellschaft verankert sein, darauf hat das Bundesverfassungsgericht hingewiesen.
Eine gewisse Anzahl an Mitgliedern braucht man auch, um Listen bei Wahlen aufstellen zu können. Eine Liste bei Bundestagswahlen sollte aus meiner Sicht eine gute zweistellige Zahl an Kandidaten haben, um akzeptiert zu werden. Bei einer Landesliste können es je nach Bundesland etwas weniger sein.
Trauen Sie Sahra Wagenknecht zu, dass ihre Partei bei Wahlen erfolgreich wird?
Von Vorteil ist sicherlich, dass Sahra Wagenknecht über ein gutes Netzwerk und eine hohe mediale Aufmerksamkeit verfügt. Doch das allein reicht nicht aus. Entscheidend sind die Ressourcen. Frau Wagenknecht braucht Finanzmittel, um die Organisation aufzubauen und um den Wahlkampf zu finanzieren. Und sie braucht Mitstreiter, möglichst mit politischer Erfahrung. Sonst hat sie keine Chance, im Parteienwettbewerb langfristig Fuß fassen zu können.
Die Grünen und die AfD waren erfolgreiche Parteigründungen. Was ist aus Ihrer Sicht ein besonders aussagekräftiges Gegenbeispiel?
Die Piraten zum Beispiel, die sich 2006 gegründet haben. Zuerst konnten sie gute Wahlergebnisse erzielen. Dann aber konnten sie sich zumindest in der Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger nicht weiterentwickeln und haben sich in Kontroversen rund um die Themen Datensicherheit und Datenschutz im Internet verstrickt. Nach den ersten großen Erfolgen sind sie dann als Kleinstpartei wieder in der Versenkung verschwunden.