Belebendes Element in der Parksiedlung: Freitags ist auf dem Herzog-Philipp-Platz Wochenmarkt. Foto: Ines Rudel

Kaum ein Viertel in Ostfildern hat so viel Wandel erlebt wie die Parksiedlung. Jetzt will man mit einer Quartiersmanagerin und einem Koordinierungskreis die Kräfte bündeln.

In den 1950er-Jahren stand die Parksiedlung für Aufbruch. Hier tat man etwas gegen die weit verbreitete Wohnungsnot nach dem Krieg. Hier wuchsen auf Flächen, die das Haus Württemberg als Erbpacht zur Verfügung stellte, Zug um Zug gute Versorgungsstrukturen heran. Und damit viel Lebensqualität. Das ist längst Vergangenheit.

Wer heute über den Herzog-Philipp-Platz spaziert, bekommt eine Ahnung davon, wie dieser einst blühende Teil Ostfilderns an Vitalität verloren hat. Viele Läden haben in den vergangenen Jahren dicht gemacht. Gastronomische Angebote dominieren. Doch es bringt nichts, alten Zeiten nachzutrauern – mit diesem Ansatz machen sich viele Engagierte daran, der oftmals totgesagten und vor Jahren von sozialen Brennpunkten gebeutelten Parksiedlung ein neues Image zu verpassen.

Das Wir-Gefühl stärken

Eine Keimzelle dieser Bewegung ist die Parksiedelei, ein Treff, in dem Ideen gesponnen werden, wie man dem Stadtteil wieder mehr Leben einhauchen kann. Und Geld vom Land fließt dafür nun auch. Erst vor Kurzem kam ein Bescheid aus Stuttgart, dass 800 000 Euro als erste Tranche für die Ortskernsanierung zur Verfügung gestellt werden. Das ist zwar nicht die Welt. Aber ein Anfang ist gemacht. Ulrich Voss, der seit vielen Jahren dem Bürgerverein vorsteht und schon seit den 1960ern ein überzeugter Parksiedler ist, sieht dies als zusätzliches Signal für den Aufbruch. Er ist überzeugt, dass der Stadtteil viel besser ist als sein Ruf, und tut einiges dafür, das Wir-Gefühl mit oftmals nur kleinen Verbesserungen zu stärken.

Mit Isabell Fischer hat Voss seit ein paar Wochen eine hauptamtliche Mitstreiterin. Die 50-jährige Kulturwissenschaftlerin aus Stuttgart-Degerloch ist die neue städtische Quartiersmanagerin und mit einer 50-Prozent-Stelle Nachfolgerin von Iryna Gumenchuk. Dass sie für die hier lebenden Menschen ein offenes Ohr hat und Dinge voranbringen will, zeigt sich freitags beim Schwäbischen Marktcafé, einem neuen Format, das helfen soll, in lockerer Atmosphäre bei Kaffee und Butterbrezeln Defizite anzusprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Im 14-tägigen Wechsel steht an gleicher Stelle ein internationales Café auf dem Programm. Ganz im Bewusstsein, dass gerade die Parksiedlung multikulturell geprägt ist wie kaum ein anderer Stadtteil Ostfilderns.

Tiefgarage war schon immer Thema

Auch wenn diesmal schwäbisch das Motto ist, sind Frauen mit Migrationshintergrund gekommen, um Defizite anzusprechen. In viele Wohnungen der Vonovia gebe es ein Schimmelproblem, berichtet eine Frau, die seit 17 Jahren im Westteil der Parksiedlung lebt. Es fehle generell an bezahlbarem Wohnraum, meint ihre Sitznachbar mit ebenfalls ausländischen Wurzeln. Ein weiteres Problem sei die Verspätung von Bussen und dass man nicht barrierefrei zusteigen könne.

Ein Thema, das seit vielen Jahren die Anwohner umtreibt, ist der Mangel an Parkplätzen rund um den Herzog-Philipp-Platz. Eine Lösung für das Problem hat man noch nicht gefunden. Wird man wegen der Platzprobleme so schnell wohl auch nicht. Schon in den 70er-Jahren sei über eine Tiefgarage diskutiert worden, erzählt Bürgervereinschef Voss. Allerdings seien damals stolze 27 000 Mark für einen Stellplatz ein K. o.-Kriterium gewesen.

Voss stellt trotz mancher Unkenrufe einen Generationenwechsel in der Parksiedlung fest. Vor allem in die Reihenhäuser ziehe es junge Familien. Die Lage sei attraktiv, bekommt er zu hören. Und dank der Erbpachtverträge, die einen Grundstückskauf ersparten, bekomme man zu vergleichsweise günstigen Konditionen eine Immobilie an einem verkehrsgünstig gelegenen Standort.

„Hoffentlich bleibt wenigstens der Supermarkt erhalten“, bekommt man immer wieder zu hören. Gerade ältere Bewohner schätzen das Angebot. Der Scharnhauser Park mit guten Einkaufsmöglichkeiten ist zwar nicht weit. Doch wer kaum mehr mobil und vielleicht sogar auf den Rollator angewiesen ist, schätzt Läden gleich um die Ecke.

Hilfe bei Radreparaturen

Viele vermissen vor allem eine Apotheke. Dass in den vergangenen Jahren etliche Geschäfte dicht gemacht haben, kann der Bürgervereinschef aus betriebswirtschaftlicher Sicht verstehen. Umso mehr müsse jeder mit seinem Einkaufsverhalten bestehende Strukturen stützen. Man dürfe die Parksiedlung trotz mancher Probleme nicht schlecht reden, wehrt sich Hildegard Schöttle-Haas gegen ein Negativ-Image, das nicht der Realität entspreche. Sie wohnt seit 55 Jahren in der Parksiedlung und ist überzeugt: „Man hat schon seine Möglichkeiten.“

Entwicklungsprozesse anstoßen und Schnittstelle sein, das sieht Quartiersmanagerin und Treffpunktleiterin Fischer als ihre vornehmlichen Aufgaben. Unterstützt wird sie vom Koordinierungskreis, in dem alle relevanten Gruppen, Vereine und Initiativen vertreten sind. „Wir wollen gemeinsam auf unseren Stadtteil schauen“, so beschreibt Ingrid Bondorf das Ziel. Und man wolle sich gegenseitig helfen.

Wie das ganz praktisch funktioniert, zeigt ihr Mann Thomas Rumpf am Samstag, 30. Juli, bei einem Radworkshop des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Von 14 bis 17 Uhr hilft er vor der Parksiedelei bei einfachen Radreparaturen wie Reifenflicken oder Bremseneinstellen.

Mehr Wohnraum schaffen und den Klimawandel berücksichtigen

Hilfe vom Land
 Im Rahmen der Stadterneuerung bekamen in den 1990er-Jahren der Herzog-Philipp-Platz sowie die Robert-Koch-Straße und die Gerhart-Hauptmann-Straße ihr heutiges Gesicht. Jetzt will man den Westteil der Parksiedlung abermals neu gestalten. 800 000 Euro vom Land sind dafür schon mal zugesagt.

Vorstudie
 Wo es Verbesserungen geben soll, hat die städtische Sanierungs- und Entwicklungsgesellschaft (SEG) in einer Voruntersuchung dargelegt. Über den Zuschnitt des Sanierungsgebiets soll der Gemeinderat im Herbst entscheiden. 

Ziele
 Den größten Handlungsbedarf sieht SEG-Geschäftsführer Reinhardt Kampmann am Herzog-Philipp-Platz. Was dort geschehen soll, ist noch offen. Als zweites zentrales Ziel nennt Kampmann die Schaffung neuen Wohnraums. Ein weiteres Thema werde sein, wie man städtebaulich auf den Klimawandel reagieren kann, beispielsweise mit Wasser oder Beschattung.