Ein Relikt der autofreundlichen Stadt: Lange schien eine Neukonzeption des Viertels mit dem Züblin-Bau undenkbar. Foto: Mario Esposito

Bisher galt der Abriss des Züblin-Parkhauses in Stuttgart als ausgemachte Sache. Doch nun mehren sich die Stimmen, die einen Erhalt der Bausubstanz für eine Neukonzeption befürworten.

Stuttgart - Bei der prestigeträchtigen Neukonzeption der Leonhardsvorstadt scheiden sich von nun an die Geister. Der Punkt, an dem sie dies tun, ist die in Kürze anstehende Entscheidung über das weitere Schicksal des Züblin-Parkhauses: Abreißen oder Sanieren? Eine Diskussion, die zuletzt auch im Bezirksbeirat Mitte geführt wurde. Dort präsentierte die Leiterin der Abteilung städtebauliche Planung, Carolin zur Brügge, die bisherigen Ergebnisse und den Strategieplan für das weitere Vorgehen. Dabei konkretisierte sie die Überlegungen der drei von der Stadt engagierten Planungsbüros zum Erhalt des Züblin-Baus.

Wer bislang glaubte, es handele sich dabei lediglich um eine exotische Variante von Stadtplanern, den dürften diese Ausführungen der städtischen Planerin eines Besseren belehrt haben. Denn zur Brügge erklärte, dass ein Erhalt nicht nur technisch möglich sei, sondern auch alle Zielvorgaben erfüllen könnte. Zudem sei der Erhalt nach bisheriger Einschätzung der Experten auch noch die nachhaltigere, kostengünstigere und für die Anwohner schonendere Variante.

„Ökologisches Desaster“

Dennoch gab es im Rat Bedenken. So mahnte der stellvertretende Bezirksvorsteher, Ralph Schelle (SÖS), mit Verweis auf die Klimaprobleme an, eine nachhaltige Energie- und Wärmeversorgung könne im Viertel nur dann gelingen, wenn man von Anfang an eine integrierte Lösung für alle Grundstücke mitdenke. Genau das sei aber nur mit einem Abriss des Parkhauses und einem Neubau möglich. „Das geht nicht mit einem Relikt aus einer längst vergangenen Zeit”, sagte Schelle. Die Aussicht darauf, dass am Ende jeder Bauherr nur das eigene Energiekonzept im Blick haben könnte, nannte er gar ein „ökologisches Desaster“.

Auf Nachfrage von Bezirksbeirat Heinrich-Hermann Huth (SPD), ob denn überhaupt ein Gemeinderatsbeschluss für den Abriss existiere, antwortete Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle: „Der bereits vor Jahren gefasste Beschluss lautete, das Gelände neu, also vor allem anders, denn als Parkfläche, zu nutzen.“ Sie räumte jedoch ein, dass von einem Abriss ausdrücklich nirgends die Rede sei. „Schon mit Auslaufen des Erbbaurechtsvertrags 2012 schien der Abriss eine sichere Sache zu sein“, ergänzte Kienzle: „Umso größer war der Schock, als die Stadt daraufhin um elf Jahre verlängerte. Viele warten seitdem auf das Jahr 2023.“

Es geht ums Erbbaurecht

Hintergrund ist das deutsche Erbbaurecht. Mit Auslaufen des Vertrags in zwei Jahren kann die Stadt wieder über das Gelände verfügen und auch das darauf befindliche Gebäude wird dann ihr Eigentum. Auch zukünftig möchte der Gemeinderat das Gelände im Erbbaurecht vergeben, um so die Kontrolle über Bebauung wie Nutzung zu behalten. Was aber die Frage nach Abriss oder Umbau des Parkhauses anbelangt, so ist derzeit nur eines klar: Nichts ist ausgeschlossen. Fest steht aber auch: Zur Internationalen Bauausstellung (IBA) im Jahr 2027 braucht man irgendein Haus.

Doch die Variante der Umnutzung bei Erhalt der Bausubstanz gewinnt immer größere Zustimmung. Auch von Philipp Lang (Grüne): Die mit einem Neubau notwendige Entsorgung und Beschaffung von Massen an Beton sieht er angesichts der neuen Alternativen als „ökologisch unhaltbar“ an. Selbst Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, die bisher keinen Hehl aus ihrer Antipathie gegen den Züblin-Bau und seinen Erhalt gemacht hatte, zeigt sich neuerdings offen. Gleichzeitig betonte sie erneut die Wichtigkeit, alles gründlich zu durchdenken und nichts vorschnell auszuschließen.

„Erhalt ist ein Treppenwitz“

Entschiedener positionierte sich dagegen Klaus Wenk von der CDU. Er attestierte den Überlegungen zum Erhalt einen Mangel an „Innovation“. Konkret wurde er dabei nicht, führte aber weiter aus, dass er die Pläne zum Erhalt für einen „Treppenwitz“ hält. Zumal es in der Stadt ungleich erhaltenswertere Gebäude gab, die vor Jahren abgerissenen wurden. Wenk forderte daher (vergeblich) eine sofortige Abstimmung. Fazit: Man ist über die Zukunft des Bausubstanz uneins im Bezirksbeirat. Ähnlich sieht es im Gemeinderatsausschuss für Stadtentwicklung aus. Auch hier gibt es sowohl Stimmen für, als auch gegen den Erhalt der baulichen Substanz. Sympathie für einen Erhalt zeigte Hannes Rockenbauch, Vorsitzender des Fraktionsbündnisses bestehend aus Linke, SÖS, Piraten und Tierschutzpartei. Insgesamt war im Ausschuss noch kein scharfes Meinungsbild erkennbar. Das soll sich jedoch schnell ändern: Noch vor den Sommerferien möchte die Verwaltung dem Stadtentwicklungsausschuss eine beschlussfähige Vorlage präsentieren. Am 20. Juli wird abgestimmt: Abriss oder Erhalt?