Einen Wechselkurs im Verhältnis 1:1 gab es zuletzt Ende 2002. Foto: dpa/Oliver Berg

Ein Euro ist jetzt ziemlich genau einen Dollar wert. Das gab es zuletzt vor 20 Jahren. Das Problem: Die Abwertung verschärft die Inflation.

Der Euro ist am Dienstag auf den tiefsten Stand seit Ende 2002 gefallen – zeitweise war die Gemeinschaftswährung nicht mal mehr einen Dollar wert. Wir beleuchten Hintergründe und Folgen.

Warum fällt der Euro?

Der jüngste Kursrutsch dürfte mit den Rezessionssorgen zusammenhängen, die angesichts der Unsicherheit über die Zukunft der russischen Gaslieferungen massiv zugenommen haben. So stürzte der ZEW-Index, der die Konjunkturerwartungen einiger hundert deutscher Finanzanalysten abbildet, am Dienstag regelrecht ab.

Besteht in den USA keine Rezessionsgefahr?

Tatsächlich gehen seit Monaten Warnungen vor einer Wirtschaftskrise in den Vereinigten Staaten um, weil die US-Notenbank mit ihren kräftigen Zinserhöhungen im Kampf gegen die Inflation die Konjunktur abwürgen könnte. Ob es tatsächlich so kommt, wird man aber vermutlich erst im nächsten Jahr sehen. Außerdem legt der US-Dollar in Krisenzeiten häufig zu, selbst wenn die amerikanische Wirtschaft leidet. Das war beispielsweise im Herbst 2008 zu beobachten: Trotz der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers gewann der Dollar damals im Vergleich zum Euro an Wert, weil der Greenback als Währung der weltgrößten Volkswirtschaft immer noch den Ruf eines sicheren Hafens genießt.

Reden wir also eher von Dollar-Stärke als von Euro-Schwäche?

Dafür spricht, dass der Dollar auch gegenüber anderen wichtigen Währungen aufgewertet hat: Im Vergleich zum Schweizer Franken gewann der Greenback seit Jahresbeginn rund acht Prozent an Wert, obwohl die Schweizerische Nationalbank ihre Interventionen zur Schwächung des Franken kürzlich aufgegeben hat.

Gegenüber dem britischen Pfund wertete der Dollar um 14 Prozent auf, genau so stark wie gegenüber dem Euro. Auch die Norwegische Krone habe der Dollar abgehängt, schreibt LBBW-Analyst Dirk Chlench. Es greife daher zu kurz, „die Schwäche des Euro vornehmlich der zögerlichen Geldpolitik der EZB sowie der Gefahr eines Ausfalls russischer Gaslieferungen zuzuschreiben“. Schließlich seien Großbritannien und Norwegen unabhängig von Gaslieferungen aus Russland, und die Notenbanken beider Länder hätten ihre Leitzinsen bereits kräftig erhöht.

Hilft der schwache Euro der Wirtschaft?

Grundsätzlich verbessert ein schwacher Euro die Absatzchancen für deutsche Exporteure: Für Abnehmer aus Ländern außerhalb der Eurozone werden deutsche Produkte günstiger, wenn ihre jeweilige Währung gegenüber dem Euro an Wert gewinnt. Und selbst innerhalb der Währungsunion gilt, dass ein in Euro abgerechnetes Produkt im Verhältnis zu Importen beispielsweise aus dem Dollar-Raum an Wettbewerbsfähigkeit gewinnt. Auf der anderen Seite ist die Verteuerung der Importe aber ein Problem, schließlich führen deutsche Unternehmen viele Vorprodukte aus dem Ausland ein. Obendrein werden Öl und Gas in Dollar gehandelt – dessen Aufwertung verschärft also den Anstieg der Energiepreise. „Unterm Strich birgt die Abwertung des Euro derzeit mehr Risiken als Chancen für die Eurozone“, kommentiert Sonja Marten von der DZ Bank.

Wird sich der Euro wieder berappeln?

Wenn Russland nach Abschluss der Wartungsarbeiten an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 den Gashahn wieder aufdreht, könnte sich die Gemeinschaftswährung etwas erholen. Ob der Euro zu alter Stärke zurückkehrt, ist aber zweifelhaft.

Peter Spahn, emeritierter Professor für Geld und Währung an der Universität Hohenheim, weist darauf hin, dass der Abstieg der Gemeinschaftswährung gegenüber dem Dollar schon vor vielen Jahren begann. „In der Schuldenkrise mussten die Finanzinvestoren feststellen, dass die Eurozone letztlich nur von der EZB zusammengehalten wird“, sagt Spahn. Für die hoch verschuldeten Länder Südeuropas sei der schwache Euro eine Erleichterung. Langfristig allerdings sei er für die Wettbewerbsfähigkeit der Währungsunion problematisch, warnt Spahn: „In der Vergangenheit haben starke Währungen in der Industrie zu einem beständigen Innovations- und Produktivitätswachstum geführt. Der Druck, auch mit einer harten Währung wettbewerbsfähig zu bleiben, wirkte letztlich positiv.“