Der strenge Sparkurs in Ostfildern zwingt die Kommune, Prioritäten zu setzen. Dennoch blickt Ostfilderns OB Christof Bolay optimistisch ins neue Jahr. Die kommunalpolitischen Ziele sieht er dadurch nicht in Gefahr.
Ostfildern hat in den vergangenen Jahren viele gute Konzepte auf den Weg gebracht. Klimaschutz und Mobilität sind da zentrale Themen. Jetzt zwingt die anspannte Finanzlage die Stadt, drastisch zu sparen. Bleiben da wegweisende Projekte auf der Strecke? Im Interview spricht Oberbürgermeister Christof Bolay über die Zwänge kommunaler Finanzpolitik. Er wünscht sich von Bund und Land mehr Unterstützung.
Ostfilderns strenger Sparkurs führt dazu, dass die geplante Mobilitätsstation am Kreuzbrunnen auf Eis gelegt werden muss. Heißt das, dass sich kommunalpolitische Ziele nicht halten lassen?
Man muss Prioritäten setzen. Das ist der entscheidende Punkt, um den es im Moment geht. Der Gemeinderat hat ja nicht beschlossen, dass die Umsetzung des Mobilitätskonzepts und die geplante Station an der Stadtbahnhaltestelle Kreuzbrunnen gar nicht kommen. Zunächst haben wir einen Sperrvermerk gesetzt. Mitte des Jahres werden wir uns noch einmal darüber beugen und schauen, wie sich die finanzielle Lage entwickelt.
Das Finanzloch nach der Steuerschätzung im Oktober kam relativ überraschend. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Das liegt an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung. Aktuell ist die Gewerbesteuer bei uns dennoch vergleichsweise stabil. Deswegen hoffen wir, dass die Firmen gut durch diese Phase kommen und dass sich die Steuereinnahmen auch wieder entsprechend erholen. Der Vorteil in Ostfildern ist, das wir nicht von einer oder zwei ganz großen Firmen abhängig sind. Wir sind an dieser Stelle insgesamt sehr breit aufgestellt, decken viele Branchen ab. Daher gibt es Wohl und Wehe. Der einen Branche geht es schlechter, der anderen besser. Das gleicht sich im Moment noch aus.
Um mehr Gewerbesteuer in die Kasse zu spülen, hat Ostfildern das Gewerbegebiet Scharnhausen West entwickelt – das ist ein nachhaltiges Modellprojekt. Wie läuft die Vermarktung?
Zu Beginn des Jahres war die Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut zu Besuch. Da habe ich den Satz gesagt: ‚Es war schon einfacher, Gewerbeflächen zu vermarkten.‘ Der gilt nach wie vor. Aber wir haben sehr ernsthafte Interessenten. Wenn die ersten ein, zwei Verträge geschlossen sind, ist es auch ein wichtiges Signal, dass es losgeht. Das geht nie auf einen Schlag, denn dazu ist das Gebiet viel zu groß.
Sind die Gewerbeflächen in Autobahn- und Flughafennähe denn auch für den Mittelstand in Ostfildern interessant?
Wir haben das Gebiet ganz bewusst so gestartet, dass wir Unternehmen aus der Stadt eine Perspektive geben wollten. Auch da gibt es Interesse. Die Rahmenbedingungen sind allerdings so, dass man eine bestimmte Grundstücksfläche abnehmen muss. Das ist für manche nicht so einfach. Ich kann mir aber vorstellen, dass es im weiteren Verlauf zu gemeinsamen Entwicklungen kommt. Ganz praktisch gesprochen reden wir da von 4000 Quadratmetern. Wenn sich zwei Firmen zusammentun, ließen sich Lösungen mit jeweils 2000 Quadratmetern entwickeln. Das würden wir begrüßen.
Beim Thema Kürzungen wird das Thema Kultur heftig diskutiert. Kommen da Einschnitte auf die Menschen zu?
Wir können nicht ein Thema von vornherein bei den Spardebatten ausschließen. Stand jetzt gibt es keine Hinweise, dass da in der Kultur ein Bereich unmittelbar betroffen wäre. Man muss schauen, dass man etwas nicht ganz abschafft. Stattdessen sollte man Wege finden, dass man mit weniger Budget etwas Sinnvolles auf den Weg bringt. Niemand stellt etwas grundsätzlich in Frage.
Man sieht am Erfolg der Spendenaktion für die Restaurierung der Sitz- und Flitzhasen der Künstlerin Rosalie, dass die Kunst im öffentlichen Raum vielen wichtig ist. Ist das eine Perspektive?
Diese Skulpturengruppe steht ja sehr zentral in der Mitte unserer Stadt im Scharnhauser Park. Da dies ein so freundliches Kunstwerk ist, hat es ein sehr positives Image. Wer Ostfildern bebildern möchte, stößt sehr schnell auf dieses Werk. Dieses Image trägt gewiss zum Erfolg der Aktion bei.
Die Last der Umlagen von Bund, Land und Kreis tragen dazu bei, dass die Kommunen so in Schieflage geraten. Welche Entlastungen wünschen Sie sich?
Wir tragen ja die Hauptlast bei der Unterbringung geflüchteter Menschen. Da glaube ich, dass es dem Bund sehr gut anstehen würde, wenn er uns so ausstattet, dass wir das tragen können. Da geht es nicht nur um die Umsetzung, denn die bekommen wir hin. Die finanzielle Unterstützung lässt zu wünschen übrig. Auf das Land bezogen, ist die Kinderbetreuung ein Problem. Nachdem der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsbetreuungsplatz für Grundschulkinder mal eben beschlossen wurde, sehe ich da auch das Land in der Pflicht, finanzielle Unterstützung zu geben. Wie diese aussehen soll, ist aber noch völlig offen. Deshalb habe ich erhebliche Zweifel, ob wir das auf den Stichtag zum Schuljahr 2026/27 hinbekommen.
Die Reformstadt Ostfildern feiert 2025 50-jähriges Bestehen. Wie wird gefeiert?
Wir planen am 12. und 13. Juli ein Festwochenende, aber dabei soll es nicht bleiben. Wir wollen das ganze Jahr über die Vielfalt der Stadt zeigen. Vereine, Organisationen und Kirchen bringen sich in das Festjahr ein. Was ich besonders charmant finde, ist die Idee, in jedem Stadtteil einen kleinen Platz zu verschönern und damit etwas Bleibendes zu schaffen. So bleibt etwas vom Jubiläum. Diese Idee hat mich sehr überzeugt.
Was würden Sie Ostfildern für die nächsten 50 Jahre wünschen?
Ich wünsche mir, dass wir weiterhin eine engagierte und solidarische Stadtgesellschaft bleiben. Wir sollten uns bewahren, dass wir uns an vielen Stellen für andere Menschen einbringen. Gleichzeitig sind wir eine Stadt, die sich dynamisch entwickelt. Das sollte aber so behutsam geschehen, dass auch das Besondere von Ostfildern erhalten bleibt, nämlich die Verbindung von Stadt und Natur. Wenn das in 50 Jahren noch so ist, haben die jetzigen Kommunalpolitiker und ihre Nachfolger vieles richtig gemacht.
Aufgaben des Oberbürgermeisters
Biografisches
Christof Bolay, Jahrgang 1968, ist seit 2005 Oberbürgermeister Ostfilderns. Davor war der Literatur- und Politikwissenschaftler im baden-württembergischen Wirtschaftsministerium und im Büro des Bundesgeschäftsführers der SPD in Berlin tätig.
Aufgaben
Neben repräsentativen Aufgaben in der Reformstadt mit 40 000 Einwohnern sind dem OB folgende Fachbereiche unterstellt: Bürgerservice, Bildung und Betreuung, Kultur und Soziales Miteinander sowie das Rechnungsprüfungsamt, OB-Büro.