Julius Raisch versteht es, die Fußballer des TV Nellingen vor den Spielen zu motivieren und zu begeistern. Foto: Ines Rudel

Er hat sich seinen Traum vom Fußball erfüllt: Der 19-jährige Julius Raisch aus Ostfildern (Kreis Esslingen) lebt mit dem Down-Syndrom. Er ist Trainer, steht selbst auf dem Platz und hat ein großes Talent: Er kann Menschen motivieren.

Vor den Spielen der Kreisliga-Fußballer des TV Nellingen ist der 19-jährige Julius Raisch voll im Einsatz. In der Kabine motiviert er die Jungs für das anstehende Spiel. Manchmal findet er da auch deutliche Worte. Wenn die Kicker dann im Kreis stehen, feuern sich alle gemeinsam an. Da führt Julius das Wort. Für den Fußball-Fan ist Inklusion im Alltag selbstverständlich. Er ist mit dem Down Syndrom geboren.

Am 21. März ist der Welt-Down-Syndrom-Tag. Er soll dazu dienen, das Bewusstsein für die genetische Besonderheit zu schärfen. Julius Raisch fühlt sich durch Trisomie 21 nicht behindert. Im Verein ist er als Co-Trainer der ersten Mannschaft voll integriert. Dass der junge Mann Menschen begeistern kann, spürt man schnell. Fußball ist seine Leidenschaft. Da kennt er sich bestens aus. Nach den Spielen gibt es für die Kicker auch mal eine Einzelkritik, die hart ausfallen kann. Mit dem Tablet geht Julius Raisch dann die Spielzüge mit den einzelnen Kickern durch. Julius ist ein guter Beobachter. Mit seiner fröhlichen, kommunikativen Art findet er stets die richtigen Worte. Über Taktik auf dem Fußballplatz nachzudenken, macht ihm Spaß.

Schon lange ein Fußballfan

Wie kam der junge Mann zum Fußball? „Es hat mich einfach immer interessiert“,sagt Julius Raisch. Schon in der Kindheit haben ihn Fußballspiele fasziniert.„Seit er 14 Jahre alt ist, dreht sich alles ums runde Leder“, sagt sein Vater Bernd Raisch. Gemeinsam mit seinem Nachbarn Michael Maier will er diese Leidenschaft unterstützen. Im inklusiven Fußballteam des TV Nellingen und des FC Esslingen steht Julius auch auf dem Platz. Der wendige Dribbler spielt bei TVN/FCE United gern in der Offensive. Das passt zu der unermüdlichen Energie des 19-Jährigen, der auch auf dem Platz ein echter Macher ist.

Julius Raischs Leben dreht sich um das runde Leder. Foto: Ines Rudel

Dass Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam im Verein spielen, ist für Michael Maier eine große Chance. Der Inklusionsbeauftragte des TV Nellingen will alles tun, „um im Verein Strukturen zu schaffen, die es allen Menschen ermöglichen, Sport zu machen“. Da gibt es aus Maiers Sicht noch manches zu tun. Es gebe viele Unterschiede, „aber noch mehr Gemeinsamkeiten“. Mittelfristig denkt der Verein auch über ein Leichtathletik-Team nach.

Im Fußball geht es um Gemeinschaft: Inklusion vorprogrammiert

Das sieht auch Thomas Gentner so, der die Fußballer der Kreisliga A trainiert. „Sie sind eine großartige Gemeinschaft.“ Sein Sohn Lukas, der Kapitän des Teams, trainiert auch immer mal wieder in der inklusiven Mannschaft mit, wenn es seine Zeit erlaubt. Zwar hat der Student einen vollen Zeitplan. „Aber es macht uns einfach Spaß, mit Julius Fußball zu spielen.“ Da umarmen sich die Jungs spontan. Und auch Felix Peitz findet es wichtig, „alles möglich zu machen, damit Inklusion im Alltag klappt“. Viel Spaß haben die jungen Männer auch bei den Fahrten zu den Auswärtsspielen. „Wir hören Tote Hosen, Ballermann-Musik und mehr“, sagt Felix Peitz.

Ein Siegerteam: Felix Peitz, Julius Raisch und Lukas Gentner. Foto: I/nes Rudel

Damit er als Trainer des inklusiven Teams und der ersten Mannschaft arbeiten darf, hat Julius mit seinem Vater einen Lehrgang beim Württembergischen Fußballverband gemacht. In der Sportschule Ruit hat er den Kurs mit Bravour absolviert. Das gibt dem jungen Mann das Rüstzeug, seine Fußballteams optimal zu coachen. „Er ist in vieler Hinsicht ein Vorbild“, findet Lukas Gentner. Der Kapitän ist froh, dass er Julius vor und nach den Spielen an seiner Seite hat. Für seinen Einsatz hat Julius Raisch schon einige Preise bekommen, unter anderem den Gerhard-Mayer-Vorfelder-Preis des VfB Stuttgart und den Sepp-Herberger-Preis.

Im Fußballstadion des VfB Stuttgart gibt es immer eine Wurst

Unter der Woche arbeitet Julius Raisch in den Neckartal-Werkstätten. Das macht dem 19-Jährigen, der auch handwerklich sehr begabt ist, viel Freude. Dennoch will er den Ausgleich, den ihm der Sport bringt, nicht missen. Deshalb genießt er es, mit seinem Freund Michael Maier, den er „Mitch“ nennt, samstags zu den Spielen des VfB ins Stadion zu gehen. Maier arbeitet im Vorstand des VfB-Fanclubs Rot-Weiße-Schwaben mit. „Da unterstützt mich Julius, wo er kann“, sagt Maier. Die gemeinsamen Besuche im Stadion machen beiden Spaß. „Da gibt es erst mal eine Stadionwurst“, sagt Julius Raisch. Die gehört bei ihm zu den Stadionbesuchen. Gemeinsam feuern sie dann ihren Verein an. Auf der Heimfahrt wird heftig über die Spiele diskutiert.

Dass Julius mitten im Leben steht, freut auch seinen Vater. „Sein Terminplan ist immer voll“, sagt Bernd Raisch. Denn unter anderem spielt der junge Mann auch in einer Band E-Bass. Vor allem aber ist es Julius wichtig, Zeit mit seinen Freunden zu verbringen. Wenn er am Spielfeldrand der Kreisliga-Kicker steht oder im inklusiven Team selbst Fußball spielt, ist er in seinem Element. Sein Handicap ist da kein Thema.

Der Welt-Down-Syndrom-Tag am 21. März

Hintergrund
„Für Menschen mit Down-Syndrom sind funktionierende Unterstützungssysteme keine Selbstverständlichkeit, sondern oft ein harter Kampf“, schreibt das Deutsche Down-Syndrom-Infocenter. Zum Welt-Down-Syndrom-Tag am 21. März will die Organisation dieses Jahr ein Zeichen setzen: „Für eine Gesellschaft, in der Unterstützung nicht erkämpft, sondern selbstverständlich geleistet wird.“ Das diesjährige Motto heißt: „Stärkt unsere Unterstützungssysteme“. Damit verbindet die Organisation einen Appell an Politik, Institutionen und jedes einzelne Mitglied der Gesellschaft. „Es geht nicht nur um Menschen mit Down-Syndrom – es geht um uns alle. Eine Gesellschaft, die inklusive Strukturen schafft, wird für alle gerechter, menschlicher und lebenswerter.“ Weitere Informationen: https://www.ds-infocenter.de/

Der Aktionstag
Der Welt-Down-Syndrom-Tag findet seit 2006 jedes Jahr am 21. März statt. An diesem Tag werden weltweit Veranstaltungen organisiert, die das öffentliche Bewusstsein für die Thematik des Down-Syndroms steigern sollen. Der 21. März symbolisiert das charakteristische Merkmal des Down-Syndroms, nämlich das dreifache Vorhandensein des 21. Chromosoms. Der Aktionstag wurde erstmals 2006 in Genf organisiert. Seit 2012 ist der Tag offiziell von den Vereinten Nationen anerkannt.