150 Teilnehmer waren beim Ostergottesdienst auf dem Birkenkopf in Stuttgart zugelassen. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Bei einem Oster-Gottesdienst auf dem Birkenkopf in Stuttgart hat die Pfarrerin den Teilnehmern Mut zugesprochen in der Corona-Krise – und vor Verschwörungstheorien gewarnt.

Stuttgart. - Pfarrerin Astrid Riehle von der evangelischen Paul-Gerhardt-Gemeinde hat die Gläubigen mit den Worten „Liebe Hoffnungsmenschen“ begrüßt. Die Teilnehmer feierten am Sonntagmorgen den Beginn des Osterfestes mit einer Andacht auf dem Birkenkopf in Stuttgart.

Die Predigt bei strahlendem Sonnenschein sollte den Teilnehmern Hoffnung und Mut machen, die glücklich darüber waren, dass dieser Gottesdienst trotz der weiterhin grassierenden Corona-Pandemie stattfinden konnte.

Nach allen Regeln der Vorsicht waren nur 150 Teilnehmer zugelassen mit Registrierung, Maske und Abstand, der sich im weiten Rund um das Gipfelkreuz leicht einhalten ließ. Im vergangenen Jahr hatte der erste Lockdown zum Verzicht auf diese jahrzehntelange österliche Stuttgarter Tradition gezwungen. Wie schmerzlich er empfunden wurde, hatte Astrid Riehle damals erlebt. Sie sei trotzdem heraufgestiegen und nicht allein geblieben: „Es waren sicher an die hundert Menschen, die mit mir den Sonnenaufgang hier begrüßen wollten“, erinnerte sie sich jetzt.

Ihre Botschaft vermittelte die Pfarrerin mit dem Bild vom Auszug des Volkes Israel aus der ägyptischen Sklaverei. Wundersame Rettung brachte die Teilung des Schilfmeeres, dessen Wellen über den Verfolgern zusammenschlugen. „Ach, wären wir doch auch schon am anderen Ufer angekommen. Ach, wären unsere Verfolger schon besiegt“, predigte Astrid Riehle als Stoßgebet in den Morgenhimmel.

Für uns, so die Seelsorgerin, dauere der Marsch durch die Corona-Wüste nun schon über ein Jahr und das Land der Freiheit sei noch nicht in Sicht. Das Coronavirus und seine Mutanten würden uns vor sich hertreiben. Zu viele hätten schon ihr Leben gelassen, ihre berufliche Existenz verloren und Schaden genommen.

Lange Tradition auf dem Birkenkopf

Sie wisse, sagt Riehle, dass die Ressourcen der Schwachen zur Neige gingen, dass es zunehmend an Kraft, Gesundheit und auch Geld fehle. Immer öfter erlebe sie tiefe Niedergeschlagenheit und mache sich besondere Sorgen um Kinder und Jugendliche: „Was wir erleben, macht Angst und nervt.“ Man sei zwar dankbar, in welch rasantem Tempo Impfstoffe entwickelt wurden, doch neue Erreger würden zur Aufholjagd ansetzen: „Das Weitergehen im Lockdown fällt zunehmend schwerer, der Atem hinter den Masken ist verbraucht. Das Gehen im Sumpf ist erschöpfend.“

Riehle warnte auch vor Verschwörungstheorien: „Es werden Schuldige gesucht. Aber sie dienen nicht dem Leben, sie schaden und zersetzen die Gesellschaft.“

„Zu Ostern des Jahres 1953 hielt Pfarrer Helmut Schieber von der Paul Gerhardt-Gemeinde die erste Morgenandacht auf dem Birkenkopf ab und läutete damit eine Tradition ein. Kurz zuvor hatte er das erste Kreuz hier aufgestellt. Auf 1,5 Millionen Kubikmeter Trümmern der Stadt, die sich im Zweiten Weltkrieg angehäuft hatten. Sie wurden mit 400.000 Lkw-Fuhren auf den Birkenkopf gebracht, der auf 511 Meter anwuchs. Damit kann der Monte Scherbelino, wie er im Volksmund hier genannt wird, als ein Symbol der Wiederauferstehung einer Stadt und des Lebens gelten.

Die Dankesworten verabschiedeten sich viele Gläubige von Astrid Riehle. „Und für das Mutmachen“, ergänzte eine junge Frau und zeigte damit der Pfarrerin, dass ihre Botschaft angekommen war.