Mit einem schillernden Plakatmotiv wird für „Orlando“ geworben. Foto: THS

Philosophisch und poetisch: Beim Ludwigsburger Theatersommer ist „Orlando“ nach Virginia Woolf zu sehen.

Ludwigsburg - Orlando betritt die Bühne des Ludwigsburger Theatersommers, aber er besteht aus zwei Personen, einer Frau (Theresa Martini) und einem Mann (Sergej Czepurnyi). „Unser Name ist Orlando“, sagt die Frau und spricht auch von einem „gemeinsamen Hirn“. Jedenfalls sind die beiden im Unisex-Look gewandet, beide tragen Hose, Hemd und Weste ganz in Weiß (Ausstattung: Julia Schnittger).

Die Bühne, aus deren Mitte ein wunderbarer Ahorn emporragt, stellt einen Garten dar. Vor einer simpel zusammengezimmerten Bretterwand, an der große Abbildungen von Pflaumen, aber auch Fotos von Berühmtheiten wie Voltaire oder Tilda Swinton befestigt sind, präsentiert sich der beziehungsweise die doppelte Orlando. Das passt zu Virginia Woolfs 1928 erschienenem Roman „Orlando“, in dem der Held nach siebentägigem Schlaf als Frau erwacht.

Abenteuerliche Lebensreise

Jetzt zeigt das Ludwigsburger Sommertheater eine von Martin Mader, der auch Regie führt, erarbeitete Bühnenfassung von Woolfs Roman, der die abenteuerliche, mit Brüchen gespickte Lebensreise ebenjenes Orlando erzählt, die vierhundert Jahre umfasst. Orlando wird Liebhaber der „jungfräulichen“ englischen Königin Elizabeth I., hat eine Affäre mit einer russischen Gräfin, wird englischer Botschafter in Konstantinopel, erfährt eine überraschende Transformation zur Frau, kehrt zurück nach England und wird im 19. Jahrhundert mit moralischem Rigorismus konfrontiert – und heiratet dann einen Mann.

Martin Mader hat das alles auf anderthalb Stunden eingedampft. Das Orlando-Duo rekapituliert im Dialog seine jahrhundertelange Biografie. Zu erleben ist ein Kammerspiel, in dem die Körperaktionen wenig Bedeutung haben, das Stück könnte auch ein Hörspiel sein. Es geht um Identität. Natürlich steht die Verdoppelung Orlandos für weibliche und männliche Elemente in einer einzigen Person und damit für eine ganz moderne Thematik.

Herzschläge aus Asche

In Orlandos Brust wohnen aber auch sonst noch zwei Seelen. Orlando (Mann) fordert eine streng wahrheitskonforme Sprache, sein weibliches Alter Ego liebt das bildhafte Sprechen. Da ist schon mal von „Herzschlägen aus Asche“ und „Gewittern im Gehirn“ die Rede. Sergej Czepurnyi spricht engagiert, Theresa Martini nuanciert und sorgsam. Zarte, raffiniert pochende Töne unterfüttern das Bühnengeschehen (Musik: Adrian Laugsch). Philosophisch und poetisch kommt Martin Maders „Orlando“ daher, passagenweise auch recht sperrig-intellektuell, und doch gelingt eine Verdichtung mit eigenen Akzenten.

Alle weiteren Aufführungen sind ausverkauft.