Johanna Beck vergangenes Jahr in Stuttgart Foto: LICHTGUT/Leif Piechowski/Leif Piechowski

Die Autorin Johanna Beck wurde als Kind von einem Pater missbraucht, verarbeitet das Erlebte in einem Buch. Heute ist sie in der Kirche ein Sprachrohre für andere Betroffene.

Eigentlich hätte Johanna Beck ihre Zuhörer gerne im Haus der Katholischen Kirche (HDKK) zu ihrer Lesung begrüßt. Die Coronalage hatte dann am Freitagabend aber dazu geführt, dass Beck ihr im Herder Verlag erschienenes Buch „Mach neu, was dich kaputt macht“ in einer Online-Veranstaltung von zu Hause aus präsentierte. Das Café im HDKK wäre ein vertrautes Terrain für sie gewesen. Hier hat sie oft gesessen und geschrieben, an den richtigen Worten gefeilt, die manchmal auch sehr schwer aufs Papier zu bringen waren. Das Schreiben, erzählt sie an diesem Abend, sei schmerzhaft und befreiend zugleich gewesen und hatte auch eine therapeutische Komponente. Doch welchen Schmerz musste sie sich überhaupt von der Seele schreiben?

Als Kind und Jugendliche war Johanna Beck in der Katholischen Pfadfinderschaft Europas (KPA). Auch ihre Mutter gehörte schon zu den Pfadfinderinnen. Das Mädchen war dort nicht nur einem enormen psychischen Druck ausgesetzt, sondern wurde auch von einem katholischen Ordensmann missbraucht. Den Täter nennt sie Pater Dietmar. Ein Mann, der sich nach außen leutselig und lustig gibt – doch Johanna spürt früh, dass da auch etwas Dunkles, Fanatisches lauert. Sie beschreibt die Mechanismen des Missbrauchs, die auch in anderen Bereichen wie im Sport und der Kultur funktionieren: Eine charismatische Person, die sich alles erlauben kann und das hermetisch abgeschlossene System, die Enge bei der KPE. Beim Beichten kam es zu sexuellem Missbrauch. Da war sie elf Jahre alt.

Geistiger Missbrauch begann schon früher

Der eigentliche Machtmissbrauch seitens des Paters begann schon viel früher. „Geistiger und sexueller Missbrauch gehen Hand in Hand“, sagt sie. Sie sei gedrillt gewesen von Gehorsam und Hingabe und von der Angst vor einem strafenden Gott und dem Teufel. „Mir ist es nie in den Sinn gekommen, dass ich mich gegen den Priester wehren kann“, sagt die dreifache Mutter.

Die Teilnehmenden sind aufgewühlt, berührt, fassungslos. Begleitet wird der Abend auch mit vielen kritischen Einwürfen von Stadtdekan Monsignore Christian Hermes, der Beck auf ihrem Weg, an die Öffentlichkeit zu gehen unterstützt und motiviert hat. Hermes übt wie zuletzt schon oft Kritik an seiner Kirche, setzt sich weiter für den synodalen Weg ein. „Ich möchte für eine Kirche stehen, die für die Umkehr zum Menschen steht“, sagt Hermes.

Bruch mit der Kirche

Mit 17 Jahren folgte Becks Bruch mit der Kirche. Inzwischen engagiert sich die 38-Jährige bei den Frauen von Maria 2.0, ist im Betroffenenbeirat der Deutschen Katholischen Bischofskonferenz und ringt mit dem Weg der Erneuerung ihrer Kirche, dem synodalen Weg. Sie setzt sich für eine geschlechtergerechte Kirche ein, die ihre Missbrauchsabgründe lückenlos aufarbeitet und endlich im Sinne der Opfer handelt. Sie will aufklären und aufrütteln, ein Sprachrohr für andere Betroffene sein.

Vor wenigen Wochen musste sie erleben, dass die Deutsche Bischofskonferenz gerade die KPE offiziell anerkannt hat. Das ist schwer auszuhalten. Auch für Monsignore Christian Hermes. Im Fernkurs studiert die Publizistin und Literaturwissenschaftlerin noch Theologie in Würzburg und möchte vielleicht irgendwann als Diakonin arbeiten. Oder aber sie wendet sich erneut ab, wenn die Kirche sich weiteren Reformen verweigert, bezeichnet sich als „wackelig“. Sie ist und bleibt eine Zweifelnde.