Auch Kälte kann sie nicht stoppen: Gisela Schramm (rechts) und Karin Manske ließen nichts unversucht, diesen Ahornbaum in Gerlingen in der Ditzinger Straße zu erhalten. Foto: Simon Granville

Der Einsatz für eine gute Zukunft für die Erde und die Nachwelt ist mitunter mühsam, gar frustrierend. Das erleben Gisela Schramm, die Gründerin der Omas for Future in Gerlingen, und ihre Mitstreiterin Karin Manske immer wieder.

Wirklich fassen, was geschehen ist, kann Gisela Schramm noch immer nicht. Und es auch nicht nachvollziehen. Kopfschüttelnd blickt die 74-Jährige, die Mitte 2021 in Gerlingen eine Regionalgruppe der bundesweit aktiven „Omas for Future“ gegründet hat – das Pendant zu den Fridays for Future –, auf die Stelle, an der bis vor Kurzem ein mehr als 100 Jahre alter Ahornbaum stand. Der ist jetzt weg, wurde gefällt, weil auf dem Gelände zwischen der Ditzinger und der Christophstraße neu gebaut wird. Dort, wo das bei vielen Gerlingern als Doktorhaus bekannte Gebäude ist.

Gisela Schramm ist der Ansicht, es sei nicht rechtens gewesen, den alten Ahornbaum zu beseitigen. Vielmehr hätte man ihn, der im Stadtgebiet der größte Ahornbaum gewesen sei, einen Wert von 1,2 Millionen Euro und dessen Stamm einen Umfang von mehr als einem Meter gehabt habe, schützen müssen, zumal er pro Jahr 13 Kilo CO2 gebunden habe. Sie führten Gespräche und hatten Schriftwechsel mit den Beteiligten, sie recherchierten, wälzten Gesetze, schickten Petitionen nach Gerlingen, Ludwigsburg, Stuttgart und sogar nach Berlin, hielten Mahnwachen: Gisela Schramm und ihre Mitstreiterin Karin Manske haben unermüdlich gekämpft, um den Ahornbaum zu retten – vergeblich.

Stadtverwaltung nennt Fällung des Baumes „zulässig“

Für die Gerlinger Stadtverwaltung ist die Sachlage rechtlich eindeutig. Bei der Fällung von Bäumen aus Hausgärten im Innenbereich handele es sich um eine verfahrensfreie Maßnahme, sagt die Rathaussprecherin Sofie Neumann. „Eine Baumschutzsatzung, ein Bebauungsplan oder andere öffentlich-rechtliche Vorschriften, die für das Baugrundstück den Erhalt des Ahornbaums vorgeschrieben hätten, sind nicht vorhanden.“

Der Bauherr habe den Baum außerhalb des im Bundesnaturschutzgesetz vorgeschriebenen Vegetationszeitraums gefällt und auf Basis einer artenschutzrechtlichen Untersuchung. Das Landratsamt Ludwigsburg als untere Naturschutzbehörde war beteiligt. „Nachdem auch deren Überprüfung keine Verletzung arten- und naturschutzrechtlicher Vorschriften ergeben hat, ist die Fällung des Baums zulässig gewesen“, sagt Sofie Neumann.

Auf dem Baugrundstück soll Ersatz für den Ahorn geschaffen werden. Dazu sind laut Neumann die Baurechtsbehörde und der Bauträger in Abstimmung. Außerdem habe der Bauträger zugesagt, drei weitere Bäume mit einem Stammumfang von rund 30 bis 40 Zentimeter zu schenken. „Sie sollen auf städtischen Flächen ihren Platz finden und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.“

Dennoch, für die Umwelt- und Klimaaktivistinnen Schramm und Manske ist das Thema nicht vom Tisch. Sie wollen wissen, „was da abgelaufen ist“, wer vor Ort in Gerlingen war. „Wir wollen Licht ins Dunkel bringen“, sagt Gisela Schramm. Sie zweifelt auch an der Objektivität der Ergebnisse besagten Gutachtens durch den Bauherrn. „Wir sind enttäuscht“, sagt Manske. Sie und Schramm haben die Fällung mitangesehen. Die „trotz unserer Einwände“ passiert ist. Auf die Reaktionen auf ihre Petitionen warten sie noch.

„Keiner will sich wirklich einsetzen“

Gisela Schramm und Karin Manske stoßen bei ihrem Einsatz für eine gute Zukunft für die Erde und die Nachwelt immer wieder an Grenzen und auf taube Ohren. Sie wollen die Altersgruppe 50 plus ansprechen, aufklären, ein Bewusstsein für ihr Anliegen schaffen, doch es sei mühsam, Leute zu gewinnen und bei der Stange zu halten, bedauert Gisela Schramm. „Keiner will sich wirklich einsetzen.“

Das macht die 74-Jährige daran fest, dass ihre bisherigen Omas-for-Future-Mitstreiter abgesprungen sind. Nun steht sie in Gerlingen allein auf weiter Flur. Oder daran, dass viele Leute auf dem Wochenmarkt ihr Infomaterial ablehnen, sich wenig begeistert von der Idee zeigen, sich Menschen anzuschließen, die sich Omas nennen. Daher hat Gisela Schramm Konsequenzen gezogen.

Sie hat sich nach einer Klimademo mit Karin Manske zusammengetan. Die war bei den Böblinger Omas for Future, ehe sie nach Stuttgart zog. Dort will Karin Manske eine weitere Regionalgruppe aufbauen. Zudem steht Gisela Schramm nicht mehr auf dem Wochenmarkt. Es sei frustrierend, den Stand herzurichten, wenn keiner komme. Die Frauen gehen jetzt lieber andere Wege.

Zum Beispiel wollen sie für sich nach Möglichkeit bei Veranstaltungen der Heinrich-Böll-Stiftung in Stuttgart werben. „Wir wünschen uns, dass der Klima- und Naturschutz in Deutschland umgesetzt wird“, sagt Karin Manske. Gisela Schramm ergänzt: „Und wir hoffen, dass wir die Gerlinger doch noch erreichen und ihr Herz für den Klimaschutz öffnen.“

Was ist zu beachten, wenn im heimischen Garten ein Baum weg soll?

Bundesnaturschutzgesetz
Auf Nachfrage im Ludwigsburger Landratsamt teilt ein Sprecher mit, dass es das Bundesnaturschutzgesetz regelt, wie Gehölze zu entfernen sind. Demnach dürfen Bäume, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze im Vegetationszeitraum von 1. März an bis 30. September weder abgeschnitten werden noch auf den Stock gesetzt oder beseitigt. Dies verhindere Eingriffe während der Brut- und Nistzeiten.

Ausnahmen
Jetzt kommt das Aber: „Sofern keine artenschutzrechtlichen Gründe dagegensprechen, kein naturschutzrechtlicher Schutzstatus besteht und keine Regelungen einer kommunalen Baumschutzsatzung dem entgegenstehen, dürfen im Hausgarten, also im Innenbereich, Bäume das ganze Jahr über gefällt werden“, sagt der Sprecher. Artenschutzrechtliche Belange sind zum Beispiel nistende Vögel. Für Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze gelte dies nur in der vegetationsarmen Zeit von 1. Oktober an bis Ende Februar. Ausnahmen seien behördlich zugelassene Maßnahmen oder im Sinne der Verkehrssicherung. Erlaubt sind auch „schonende Form- und Pflegeschnitte“. Für die Beseitigung von Bäumen in Schutzgebieten können weiterführende Regelungen gelten. Verstöße können eine Ordnungswidrigkeit sein und Geldstrafen im fünfstelligen Bereich bedeuten.

Eigene Regeln
Ob sie Baumschutzverordnungen oder -satzungen erlassen, steht den Kommunen frei. Darin können sie zum Beispiel vorgeben, dass Bäume ab einem bestimmten Stammdurchmesser nicht gefällt werden dürfen oder Ersatz gepflanzt werden muss. Städte wie Leonberg, Ludwigsburg, Bietigheim-Bissingen oder Stuttgart haben eine solche Verordnung oder Satzung. Auch gibt es wie etwa in Gerlingen Bebauungspläne, die beispielsweise den Erhalt von Bäumen und ihre Sicherung bei Bauprojekten vorschreiben.