Kein Sieger im Ziel der Abfahrt: Wegen zu starken Windes wäre ein Rennen ein Glücksspiel um Gold geworden. Foto: imago/MAXIM THORE

Der Wind blies in den vergangenen Tagen immer wieder heftig auf dem Berg Xiaohaituo bei Yanqing. Am Sonntag war er zu stark, weshalb die Abfahrt der Herren auf Montag verlegt wurde.

Yanqing - Zufall und ein kleines bisschen Glück können bei Olympischen Spielen nie schaden. Nach der Absage der Herren-Abfahrt am Sonntag machten sich die Menschen aus dem Zielbereich auf zur Bergstation, um in kleinen Gondeln ins Tal zu fahren – wir fuhren mit einem Herrn, nach kurzer Begrüßung stellte sich beim Blick auf dessen Akkreditierungsausweis heraus: Es handelt sich um Michel Vion, Franzose aus Mégève, 62 Jahre alt und seit Juni 2021 Generalsekretär des Internationalen Skiverbandes (Fis). Einen besseren Gesprächspartner zur Absage und Verlegung der Abfahrt dürfte man kaum zufällig finden.

„Es gab keine Alternative“, erklärte Vion, „wir wollen einen Olympiasieger, der unter fairen, für alle gleichen Bedingungen gekürt wird – das war heute auf keinen Fall möglich.“ Oben auf dem knapp 2200 Meter hohen Berg Xiaohaituo waren Windgeschwindigkeiten von bis zu 18 Metern pro Sekunde gemessen worden, was, so rechnete der hochrangige Fis-Funktionär vor, bis zu zwei Sekunden ausmachen könne, wenn ein Fahrer Gegenwind, ein anderer Rückenwind habe. „Es ist erstens gefährlich und zweitens völlig unfair im Sinne des Sports“, betonte Vion, der 1982 in Schladming Weltmeister in der Alpinen Kombination geworden war. Er fahre nun ins Tal, um mit seinen Kollegen der Fis zu beraten, wann der Abfahrtslauf denn neu angesetzt werden solle – er favorisiere die Zeit zwischen den Riesenslalom-Läufen der Damen. Offenbar fand er Zustimmung: Der Kampf um Gold in der Königsdisziplin wird an diesem Montag (5 Uhr MEZ) ausgetragen. Der erste Durchgang der Frauen im Riesenslalom soll um 2.30 Uhr MEZ beginnen, der zweite um 7.30 Uhr MEZ.

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Rennfahrer und Trainer begrüßten die Verlegung. „Lieber kein Rennen als ein unfaires Rennen“, sagte der deutsche Abfahrer Romed Baumann. „Das ist eine absolut gute Entscheidung. Es ist nach wie vor extrem windig“, meinte Bundestrainer Christian Schwaiger. So großen Zuspruch ist Vion nicht unbedingt gewöhnt. Als die Fis den dritten Trainingslauf absagte, wobei von den Favoriten lediglich Aleksander Aamodt Kilde gefahren war, hatten die Schweizer und österreichischen Trainer moniert, der Norweger habe damit einen ungerechten Vorteil genossen. „Wissen Sie“, sagte der Fis-Generalsekretär, „hätten wir nicht abgebrochen und wäre ein Fahrer verunglückt, hätten sie uns dafür verurteilt.“ Es ist wie überall: Allen recht machen kann man es nur ganz, ganz selten. Die Verlegung der Herren-Abfahrt auf Montag war das eine solche Ausnahme.