Özcan Cosar, Comedian aus Stuttgart ist zweisprachig aufgewachsen. Foto: Philipp Rathmer

In Stuttgart leben Menschen aus 170 Nationen. 120 Sprachen werden gesprochen. Zum internationalen Tag der Muttersprache haben wir mit zwei Stuttgartern gesprochen, die bilingual aufgewachsen sind.

Stuttgart - Kinder lernen in der Schule bereits ab der Grundschule Fremdsprachen. Sie gehören genauso in den Lehrplan wie Mathe und Sport. Doch in Stuttgart werden noch weitaus mehr Sprachen gesprochen. „Rund ein Drittel der Stuttgarter Bevölkerung wurde im Ausland geboren, über 40 Prozent der Kinder im Vorschulalter stammen aus Einwandererfamilien. In der Landeshauptstadt leben Menschen aus über 170 Nationen, über 120 Sprachen werden gesprochen“, heißt es auf der Internetseite der Stadt. Das unterstreichen die über 300 Migrantenvereine in Stuttgart. Davon sind mehr als 130 Mitglieder beim Forum der Kulturen Stuttgart.

Wer alle seine Sprachen pflege, habe Vorteile, meint die Teamleiterin des Bereichs Vereine und bürgerschaftliches Engagement des Forum der Kulturen Sara Alterio. „Jeder Mensch mit Migrationshintergrund sollte seine sprachliche Vielfalt weiterführen, weiterpflegen und an die nächste Generation weitergeben.“

Wie es ist, mehrsprachig aufzuwachsen und welche Vor- und Nachteile das mit sich bringt, haben uns passend zum Internationalen Tag der Muttersprache am heutigen Freitag, 21. Februar, die Online-Redakteurin Kathrin Mletzko und der Komiker Özcan Cosar erzählt.

Özcan Cosar, Comedian aus Stuttgart

Der Comedian Özcan Cosar kam in Bad Cannstatt zur Welt und wuchs in Stuttgart-Hausen auf. Seine Eltern kamen in den 70er-Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland. „Zuhause wurde ausschließlich Türkisch gesprochen“, erzählt der 38-Jährige. „Mein Vater konnte nur einzelne Worte, meine Mutter gar kein Deutsch.“ Deutsch lernte Cosar im Kindergarten und durch seine Freunde. Bei der Einschulung war sein Deutsch genauso gut wie das der anderen Kinder.

„Ich hatte weder Vor- noch Nachteile durch meine Bilingualität.“ Dafür konnte er seinen Eltern im Alltag helfen. „Das war ein Ansporn, gut Deutsch zu sprechen, schließlich musste ich die Amtsbriefe meiner Eltern verstehen und sie bei den Arztbesuchen begleiten.“ Auch in seinem Comedy-Programm greift Cosar immer wieder das Thema typisch Deutsch und typisch Türkisch auf. Sein aktuelles Bühnenprogramm „Cosar Nostra – Organisierte Comedy“ behandele zu 80 Prozent das Thema. „Ich finde das witzig und spiele gerne mit diesen Klischees – sie stimmen ja meistens auch.“

Nur dass er oft auf den Deutsch-Türken reduziert wird, der nur Witze über seine familiären Wurzeln und Migration macht, stört ihn. So einfach sei das nicht. Daran dass sich jugendliche Migranten in der Schule schwer tun, sei vor allem die Erziehung und nicht die fremde Sprache Schuld. „Ich hatte in der Realschule keine guten Noten. Das lag aber nicht an meinem Deutsch, sondern daran, dass ich keine Lust aufs Lernen hatte.“ Cosars Tochter versteht ein bisschen Türkisch. Sein Sohn kann weder Türkisch sprechen, noch versteht er es. „Das ist schade“, sagt der mehrfach ausgezeichnete Comedian. „Jede Sprache ist eine Bereicherung für die Welt und für einen selbst.“

Kathrin Mletzko, Onlineredakteurin aus Stuttgart

Kathrin Mletzko ist froh, dass sie zweisprachig aufgewachsen ist. Ihre Mutter hat in ihrer Kindheit mit ihr Polnisch gesprochen, ihr Vater Deutsch. „Ich denke, das hat mir dabei geholfen, die beiden Sprachen von Anfang an auseinanderzuhalten“, sagt die 27-Jährige. „Bei der Einschulung sprach ich dann beide Sprachen gleich gut.“ Auch in der darauffolgenden Zeit brachte die Zweisprachigkeit ihr mehr Vor- als Nachteile.

„Als Kind möchte man sofort dazugehören, da war es schon im Kindergarten ganz natürlich, die Sprache zu sprechen, die alle sprechen. Ich hatte nie das Gefühl, dass mir Worte fehlen oder ich sprachlich nicht mithalten kann“, sagt Kathrin Mletzko, die heute im Stuttgarter Süden lebt. In ihrer Schulzeit gehörte das Lernen neuer Sprachen zu ihren Stärken. „Vielleicht hat mir die Mehrsprachigkeit dabei geholfen, mich müheloser in andere Sprachen einzufühlen.“

In ihrer späteren Schulzeit lernte die heutige Online-Redakteurin an der Hochschule für Technik Stuttgart Jugendliche mit ähnlichem Sprachhintergrund kennen und war überrascht, wie sehr manche Sprachen dem Polnischen in Wort und Klang ähneln. So konnte sie Worte und Sätze so angleichen, dass sie die anderen Fremdsprachen verstehen konnte.

Als Kind sei es keine Herausforderung, eine zweite Sprache zu lernen – ganz im Gegenteil, meint Mletzko. Ihr Polnisch sei heute alles andere als perfekt, es reiche jedoch für Basics und Small Talk aus. Die Stuttgarterin ist ihren Eltern sehr dankbar dafür, dass sie bilingual erzogen wurde. Auf die Frage, ob sie ihre Kinder auch mehrsprachig erziehen möchte, antwortet sie: „Um die Sprache später weitergeben zu können, würden meine Fähigkeiten nicht mehr ausreichen, aber vielleicht wäre eine andere Sprache wie Englisch eine Option.“