Sehr viele Menschen wollten am 30. März 1928 einen historischen Moment miterleben: Die erste elektrische Straßenbahn fuhr ins Ortsinnere von Echterdingen. Foto: Stadtarchiv Leinfelden-Echterdingen

Ende 2029 könnte der Echterdinger Westen mit der U5 wieder an die Schiene angebunden sein. Wie bereits im März 1928, als die erste Straßenbahn bis nach Echterdingen fuhr. Ein historischer Rückblick.

Wenn Ende 2029 die Stadtbahn U 5 tatsächlich wieder bis nach Echterdingen fährt, wie Volker Christiani, der SSB-Chefplaner kürzlich verkündete, werden die Herzen vieler höher schlagen. Es ist zu vermuten, dass nicht nur Berufspendler zur neuen Endhaltestelle der Linie kommen und dem ersten Zug zujubeln werden, der den Echterdinger Westen wieder an die Schiene bringt. Denn „dieses Thema hat die Menschen schon immer tief bewegt“, sagt Wolfgang Haug, FDP-Stadtrat und ehrenamtlicher Leiter des Echterdinger Stadtmuseums.

Festimbiss im Gasthaus Hirsch

Historische Aufnahmen aus dem örtlichen Stadtarchiv belegen: Sehr viele Menschen wollten auch jenen Moment am 30. März 1928 miterleben, als die Straßenbahn der Linie 6 zum ersten Mal bis an die Echterdinger Hauptstraße fuhr. Es gab ein Ausziehgleis, die Bahnen wurden ab- und wieder angekoppelt, bis sie weiterfahren konnten. Vor dem Gasthaus Hirsch, in dem ein Festimbiss angeboten wurde, wehten Fahnen, die Mitglieder des Gemeinderates und 20 Festdamen in Echterdinger Tracht erwarteten die Ankunft der ersten Straßenbahn, berichteten Reporter damals über das Ereignis. „Echterdingen hatte damals etwa 2300, Leinfelden circa 1140 Einwohner. Man erhoffte sich von dieser Verbindung besonders einen Aufschwung des wirtschaftlichen Lebens, aber auch eine Bereicherung des kulturellen Lebens“, hat Bernd Klagholz, ehemals Stadtarchivar von Leinfelden-Echterdingen dazu aufgeschrieben.

In der Eröffnungsrede von 1928 hieß es: Die Stuttgarter könnten dank dieser Bahn nun Echterdingen und die Schönheiten des Schönbuchrandes entdecken. Die Echterdinger könnten derweil, „an dem vielen Guten teilnehmen, das in der Landeshauptstadt geboten werde“. Vorteile erhofften sich die Landwirte, die Gewerbetreibenden und der Handel. Die Straßenbahn war eine Erleichterung für die Arbeiter im Filderraum, die täglich zwischen ihrem Wohnort und Stuttgart hin- und her pendeln mussten. Am 24. Dezember 1926 hatten dafür die Bürgermeister von Möhringen, Leinfelden und Stuttgart einen kostspieligen Vertrag unterzeichnet: 62 000 Goldmark übernahm Möhringen, Leinfelden 15 000 Goldmark und Echterdingen 30 000 Goldmark.

Am 19. Mai 1964 gab es dann erneut Grund zum Feiern: Von diesem Tag an ist die Straßenbahn erstmals durchgehend von Stuttgart nach Echterdingen gefahren. Das jahrzehntelange Umsteigen in Möhringen für alle Fahrgäste, die in die Landeshauptstadt wollten, war vorbei. Der erste „Sechser“, ein geschlossener Großraumwagen der SSB vom Typ GT 4, konnte im Flecken begrüßt werden. Zuvor fuhren dort offene Züge, auf die man laut Wolfgang Haug noch aufspringen konnte – zumindest wenn sie gerade erst losgefahren waren. Schritt für Schritt hatte die SSB die Filder bis dahin an das Straßenbahnnetz angebunden und dafür Wendeschleifen zunächst am Möhringer Bahnhof und später in Echterdingen gebaut.

Mit der „Strambe“ in die Schule

Jahrzehntelang gehörte „die Strambe“, wie sie im Flecken genannte wurde, zum Leben der Menschen in Echterdingen. „Ganze Generationen sind mit dieser Bahn zur Schule gefahren“, berichtet Haug. Am 3. November 1990 war der Schmerz dann entsprechend groß. Denn an diesen Tag hieß es Abschied nehmen. Ein allerletztes Mal fuhr damals ein Zug der Straßenbahnlinie 6 von Echterdingen bis nach Stuttgart und wieder zurück. Von diesem Erlebnis erzählt ein Film, den ein Fan Jahre später ins Netz gestellt hat. Ein Trauerzug begleite damals die allerletzte Bahn, die auf dieser Strecke fuhr. „Ich habe schon ein flaues Gefühl“, sagte der damalige Oberbürgermeister Wolfgang Fischer ins Mikrofon eines Reporter. In seiner Rede sprach er von einem bitteren, einem unverständlichen Tag, der in Erinnerung bleiben werde. Der Westen von Echterdingen war von der Schiene abgekoppelt worden.

Wolfgang Haug träumt derweil davon, dass die U 5 bereits im März 2028 wieder bis nach Echterdingen fährt und dass damit exakt 100 Jahre später jener Zustand, den Echterdingen Ende März 1928 feierte, wieder erreicht wird. Die Stuttgarter Straßenbahnen müsste sich dann allerdings mit der U-5-Verlängerung nach Echterdingen mächtig beeilen. Und auch die Stadt Leinfelden-Echterdingen müsste sich ins Zeug legen. Sie muss an der Schnittstelle zwischen Echterdingen und Leinfelden die Max-Lang-Straße aus der S-Bahn-Unterführung holen, durch diese sollen nämlich künftig die Stadtbahngleise geführt werden.

Warum kein Sechser mehr nach Echterdingen fahren sollte

Keine Konkurrenz
Die Straßenbahnlinie 6 zwischen Leinfelden/Bosch und Echterdingen wurde im Herbst 1990 wegen des Ausbaus der S-Bahn stillgelegt. Die Stuttgarter Straßenbahnen hatten dies beantragt, um einen Parallelverkehr auf den Schienen zu vermeiden. Ein Bus sollte die Linie auf dieser Strecke ersetzen, bis die S-Bahn auch über Echterdingen zum Flughafen fahren sollte. Der Gemeinderat Leinfelden-Echterdingen hatte sich zu dieser Entscheidung notgedrungen durchgerungen, im zuständigen Ausschuss des Esslinger Kreistages hatte sich im Mai 1988 nur eine knappe Mehrheit dafür ausgesprochen.

Reaktionen darauf
Bürger – allen voran der Arbeitskreis Straßenbahn Echterdingen – wollten sich mit der Situation nicht abfinden. Sie sammelten Ende 1990 fleißig Unterschriften und schrieben an Oberbürgermeister Wolfgang Fischer. Auch der Regionalverband von Pro Bahn hatte im Mai 1990 deutliche Kritik geäußert und in einem Brief an alle Gemeinderatsfraktionen angeregt, die geplante Stilllegung dieses Abschnittes der Linie 6 nochmals zu überdenken.