Esslingen diskutiert die Schaffung einer neuen Bürgermeisterstelle. Damit einher geht die Schaffung eines neuen Dezernats. Das wirft Fragen auf. Was steckt hinter den Plänen? Ein Überblick.
Im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Städte in Baden-Württemberg und Deutschland braucht Esslingen mehr Personal im oberen Gehaltsbereich als andere. Nach Auffassung des Oberbürgermeisters Matthias Klopfer und der vier Fraktionen CDU, Grüne, SPD und Freie Wähler soll ein fünfter Bürgermeister die Arbeit erleichtern.
Am Montag sollen die Stadträte in einer öffentlichen Sitzung im Verwaltungsausschuss darüber abstimmen, der Gemeinderat dann 14 Tage später. Vermittelt wird das Thema als „Änderung der Dezernatsstruktur“. Die Kritik an dem Vorhaben wird allerdings immer lauter – das Thema ist brisant. Die Rede ist
Kein detailliertes Konzept für die Verwaltung?
Auch wenn es eine umfangreiche Erläuterung von der Stadtverwaltung gibt, bleiben noch zahlreiche Fragen offen. Unsere Zeitung gibt einen Überblick:
In der Begründung heißt es, dass es ein neues Dezernat mit einem weiteren Bürgermeister braucht, um Aufgaben zu bündeln sowie Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen. Das bedeutet, dass in die Verwaltungsorganisation eingegriffen und Abläufe neu aufgesetzt werden. Ob es hier schon ein detailliertes Konzept gibt, das auch den Mitarbeitenden erläutert, wo und wie und unter welcher Führung sie künftig arbeiten, wurde bislang nicht kommuniziert.
Eine Reorganisation erklärt allerdings noch nicht den Stellenaufbau an der Spitze, während in unteren Bereichen Stellen gestrichen werden sollen.
Eine weitere Begründung aus dem Rathaus für diese fünfte Bürgermeisterstelle lautet, mit der fünften Stelle käme die CDU zu ihrem Recht, einen Dezernenten vorschlagen zu können. Das lässt Raum für Spekulationen zu: Wurde die Stelle vor allem deshalb geplant und erst im Nachhinein wurde darüber nachgedacht, wie sie sie sich ausfüllen lassen könnte?
Klopfer ist seit November 2021 Oberbürgermeister. Eine straffe Verwaltung war seinerzeit auch Wahlkampfthema. Daher knüpft hier die nächste Frage an, die sich aufdrängt: Warum hat sich die Rathausspitze nicht schon früher auf den Weg gemacht, die Verwaltung neu zu organisieren?
Was wurde aus den Stabsstellen in Esslingen?
Immerhin gab es im Jahr 2022 einen Versuch, mit neuen Stabstellen mehr abteilungsübergreifende Koordination ins Rathaus zu bringen. Auf die Frage an die Verwaltung, ob diese Stabsstellen noch aktiv sind, gibt es aus dem Rathaus eine knappe Antwort: „Ja.“ Eine Bilanz, aus der erkennbar wäre, dass sich die Verwaltung neu organisieren müsste, gibt es nicht.
Eine weitere Begründung für Dezernat und Dezernentenstelle lautet: In den kommenden vier Jahren plant die Stadt Esslingen Investitionen von mehr als 600 Millionen Euro. Allerdings erschließt sich nicht auf den ersten Blick, warum deshalb eine neue Stelle geschaffen wird. Ein Bürgermeister arbeitet in der Regel nicht so tief im operativen Geschäft, als dass er Fördermittelanträge ausarbeiten oder Projektpläne für den Bau von Kitas oder Straßen schreiben müsste.
Unbesetzte Stellen sollen in Esslingen gestrichen werden
Viele Projekte konnten nicht vorangetrieben und vollendet werden, weil wie im Tiefbau – Stichwort Ritterstraße – die Mitarbeiter fehlten – zumindest war das eine Begründung, die man häufig hörte. Daher drängt sich die Frage auf: Wäre es nicht sinnvoller, unbesetzte Stelle zu besetzen, statt sie abzuschaffen? Denn genau das ist geplant, um die neue Dezernentenstelle finanzieren zu können.
Die Planung einer weiteren Bürgermeisterstelle lässt darauf schließen, dass die bisherigen Stellvertreter des Oberbürgermeisters zu viel auf dem Tisch haben. In anderen Städten wie Tübingen packt der Oberbürgermeister mit an: Dort beackert Boris Palmer die Bereiche Finanzen, Wirtschaftsförderung, Digitalisierung und leitet die dortigen Stabsstellen. Ein Vorbild für Esslingen?
In der Begründung zur Schaffung des neuen Dezernats heißt es auch, Esslingen habe mit mehr als 5000 Beschäftigten sehr viel mehr Mitarbeitende als vergleichbare Städte, unter anderem aufgrund des Betriebs einer städtischen Klinik. Allerdings gibt es dort einen Geschäftsführer. Traut die Verwaltung den Geschäftsführern im Klinikum nicht zu, die Probleme zu lösen? Womit noch eine andere Frage einhergeht: Warum leistet sich Esslingen ein kostspieliges Krankenhaus, obwohl es die Aufgabe des Kreises ist, für ein funktionierendes Gesundheitswesen zu sorgen?
Die Kritik an dem Vorgehen ist heftig: So werfen die Fraktionsgemeinschaften FDP/Volt und Linke/FÜR sowie die Gruppe WIR/Sportplätze den größeren Fraktionen von CDU, Grüne, SPD und Freie Wähler sowie Oberbürgermeister Klopfer „geheime Absprachen“ vor. „Dieser intransparente Vorgang bedeutet de facto, dass ein erheblicher Teil des Gemeinderats systematisch von den Beratungen ausgeschlossen wurde.“