Der evangelische Theologe Theodor Dipper wurde von den Nazis drangsaliert, weil er Regimekritikern half. Nun würdigt auch Nürtingen posthum das mutige Wirken des früheren Stadtdekans.
Was Reichenbach längst hat, wird nun auch Nürtingen bekommen: Es geht um einen Platz zu Ehren von Theodor und Hildegard Dipper. Der evangelische Theologe und spätere Dekan des Nürtinger Kirchenbezirks und seine Frau beteiligten sich während der deutschen Naziherrschaft im Dritten Reich an der württembergischen Pfarrhauskette, die Menschen jüdischen Glaubens in ihren Pfarrhäusern versteckte. Dabei retteten Dippers im Reichenbacher Pfarrhaus unter Einsatz ihres Lebens zahlreichen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern das Leben. In Nürtingen wirkte Theodor Dipper von 1945 bis 1959 als Dekan.
Ehrung am früheren Wirkungsort
Nun möchten auch die Stadt Nürtingen und die evangelische Kirchengemeinde Nürtingen auf Anregung von CDU-Stadtrat Matthias Hiller Theodor und Hildegard Dippers Wirken würdigen. Am Reformationsfest soll der bislang namenlose Platz östlich der Nürtinger Stadtkirche St. Laurentius auf den Namen „Dipper-Platz“ getauft werden. Zuvor soll der Sonntagsgottesdienst am 3. November an den Theologen Theodor Dipper erinnern, der auf seiner ehemaligen Kanzel an seinem früheren Wirkungsort in der Stadtkirche posthum zu Wort kommen wird.
Dafür wird Pfarrer Markus Lautenschlager aus einer Dipper-Predigt vorlesen, die „Ruf zum Frieden“ titelt und ursprünglich am Sonntag, 27. Januar, 1952 gehalten wurde und sich mit dem damaligen Kalten Krieg und der Debatte um die Wiederbewaffnung Deutschlands beschäftigte.
Nach dem Gottesdienst sollen am neuen Dipper-Platz ein Straßenschild und eine Gedenktafel enthüllt werden. Grußworte haben dazu Dekanin Christiane Kohler-Weiß, Oberbürgermeister Johannes Fridrich und der CDU-Gemeinderat und Stadtverbandsvorsitzende Matthias Hiller zugesagt. Manuel Werner und das Team der Gedenkinitiative Nürtingen wollen das Engagement des Ehepaars Dipper in der Zeit des Dritten Reiches würdigen und der Historiker Steffen Seischab wird einen näheren Blick auf das Nürtinger Wirken von Theodor Dipper werfen, heißt es in der Einladung. Mit passender Musik zum Fest wird die Gruppe Kleztett aufspielen, die neben der traditionellen Klezmermusik osteuropäisch-jüdischer Wandermusikanten auch eigene Kompositionen und Improvisationen bieten möchte.
Und an die Feierstunde schließt sich ein kleiner Imbiss samt einer sephardischen Lubiya-Suppe an, die nach einem jüdischen Rezept von Yigal Maron mit Schwarzaugenbohnen, Tomaten, Knoblauch, Chili, Kreuzkümmel und Kurkuma zubereitet wird.
Theodor Dipper war Mitbegründer der württembergischen Bekenntnisbewegung, einer Oppositionsbewegung evangelischer Christen, die sich gegen Versuche wehrte, die Lehre und die Organisation der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) mit dem Nationalsozialismus gleichzuschalten.
Erst Redeverbot, dann Transport ins KZ
Wie auf der Homepage des Evangelischen Kirchenbezirks Esslingen zu lesen ist, war Dipper seit 1934 Mitglied der Bekennenden Kirche und leitete den landesweit tätigen Evangelischen Gemeindedienst, der mit Vorträgen und Freizeiten die Gemeindearbeit fördern wollte. Theodor Dipper geriet in das Visier der Gestapo und erhielt trotz Unterstützung durch den Oberkirchenrat wegen kritischer Vorträge über den NS-Chefideologen Alfred Rosenberg Redeverbot. Im Jahr 1938 wurde Dipper nach Reichenbach versetzt und nur dort durfte er predigen. In Reichenbach versteckte er nicht nur jüdische Mitbürger, sondern auch Menschen, die gegen die Nazis opponierten. Daraufhin wurde Dipper verhaftet und für drei Wochen ins KZ Welzheim gebracht. Zu Dippers 100. Geburtstag wurde der Platz vor der Reichenbacher Mauritiuskirche nach Theodor Dipper benannt.