Noah Kwaku alias Nopé am Samstagabend im Stuttgarter Kulturzentrum Merlin. Weitere Bilder zeigt die Fotostrecke. Foto: Jan Georg Plavec

Zum Abschluss der coronabedingt „Kleinen Klinke“ im Merlin spielen Nopé und Gaisma ein vielsagendes Konzert – musikalisch, aber auch was die nähere Zukunft des Pop in Stuttgart anbelangt.

Stuttgart - Damit kein Missverständnis aufkommt: Mit Nopé hat am Samstagabend einer der talentiertesten jungen Stuttgarter Künstler das Klinke-Festival im Kulturzentrum Merlin beschlossen. Der ausgebildete Jazzsänger zeigt bei seinem Konzert, wie und warum Jazz der neue Pop ist – jedenfalls für Menschen, die nicht gern das Immergleiche hören wollen. Stuttgart ist natürlich kein zweites London und kann keine Musiker von der Kragenweite etwa eines Shabaka Hutchings aufweisen. Aber mit Noah Kwaku alias Nopé oder Franziska Schuster alias Ameli in the Woods samt ihren Mitmusikern gibt es doch äußerst inspirierende Künstler, die langsam über ihren Geheimtipp-Status hinauswachsen.

Die mit großem Abstand aufgestellten Stühle im Merlin-Saal sind weitgehend mit Noah-Kwaku-Fans bestückt. Kein Wunder – in Corona-Zeiten werden keine 50 Menschen eingelassen, ein Konzert ist da schnell mal ausverkauft und somit nichts für Menschen, die sich gern spontan entscheiden. Das ist eine der Einsichten zum Abschluss des Klinke-Festivals, die sich auch im Gespräch mit der Merlin-Geschäftsführerin Annette Loers bestätigt. Am Vorabend beim Nino aus Wien hat tatsächlich ein relevanter Teil der ohnehin überschaubaren Besucherzahl die Tickets für das (verschobene und ins Wizemann verlegte) Konzert einfach verfallen lassen.

Der Sound des Jetzt

Es kommen also weniger und andere Menschen ins Konzert als bei den Klinke-Abenden, wie man sie bislang kannte. Noah Kwaku und seine beiden Mitmusiker machen das Beste daraus, und musikalisch passt das ja auch. Anders als unter seinem Klarnamen singt Nopé nicht jenen spröden Soulpop der 60er und 70er Jahre, für den seine Stimme wirklich perfekt geeignet ist. Er spürt vielmehr dem Soundideal der Jetztzeit nach, mit mächtig im Raum stehenden Synthesizerbässen und flächigen Akkordlandschaften auf jazzinformierten Beats, dazu ein am Trap angelehntes Metrum für den (Sprech-)Gesang. Live kommt allerdings nicht ganz so viel Vocoder beim Zuhörer an wie bei den Aufnahmen:

Diese Musik schiebt nicht nach vorn, sie würde auch in einem proppevollen Merlin nur bedingt für Eskalation sorgen. Das gilt auch für den zwischen Rap, Geschichtenerzählung und Gesang fließend changierenden Vortrag von Gaisma, die vor einem Matisse-artigen Vertreibung-aus-dem-Paradies-Gemälde Songs über offenbar nicht rund laufende Beziehungen präsentiert.

Wie soll das weitergehen?

Der Pop des Jahres 2020 ist, den Zeiten angemessen, kompliziert. Natürlich schaut und hört man da gerne zu. Und hat doch Zeit, sich Gedanken zu machen, wie das wohl weitergehen mag mit den Konzerten und vor allem den Bühnen, auf denen sie stattfinden sollen.

Das Merlin hat seine „Kleine Klinke“ vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert bekommen. Das läuft jetzt aus. Ohne eine solche Unterstützung werden solche Abende für einen erträglichen Eintrittspreis allerdings kaum zu stemmen sein – erst recht nicht für Spielstätten, die anders als das Merlin keine strukturelle Förderung erhalten. Vielleicht ist anders als oben behauptet nicht Jazz der neue Pop – sondern Popmusik wegen Corona plötzlich wie der Jazz nur noch mit Unterstützung aus der öffentlichen Hand öffentlich aufführbar.

Musikalisch ist das Konzert von Nopé und Gaisma über jede Kritik erhaben. Für die nahe Zukunft muss man sich rasch etwas einfallen lassen.