Die FDP verliert eine Landtagswahl nach der anderen. Dadurch wächst der Druck, sich in der Ampelkoalition zu profilieren. Kann das gut gehen?
Wenn ein Boxer fünf Mal hintereinander heftige Schläge kassiert, ist es normal, dass er wankt. Die FDP hat in fünf Landtagswahlen nach der Bundestagswahl Niederlagen kassiert. Das zerrt an den Nerven: Je nervöser die FDP ist, desto schwieriger kann die Zusammenarbeit in der Ampelkoalition im Bund werden.
Für Wolfgang Kubicki ist die Sache klar: Er trommelt seit Monaten dafür, dass die FDP ihr Profil in der Ampel schärfen muss. Aus der Sicht des FDP-Vize fremdeln die Wähler der Partei noch immer damit, dass sie in einer Ampelkoalition mit SPD und Grünen regiert. Und Kubicki hat ein Gegenrezept für diese Wahrnehmung.
Geht es nach Kubicki, dann schaltet die FDP in der Koalition jetzt noch mehr auf stur. „Wenn es keinen Straßenbau mehr geben soll, dann gibt es auch keine neuen Stromleitungen mehr“, hat er laut „Spiegel“ gesagt. „Da kann sich der Robert gehackt legen. Die Zeit des Appeasements ist vorbei.“ Der Robert heißt Habeck mit Nachnamen – und ist für die Grünen Vizekanzler und Wirtschaftsminister in der Koalition.
Die neue Nachdenklichkeit
Doch ist mehr Krawall tatsächlich der Weg zum Erfolg? Hat die Partei das nicht schon nach den anderen verlorenen Landtagswahlen versucht – und das offenkundig erfolglos? „Die Stimme der FDP innerhalb der Ampel muss deutlicher sein als vorher.“ So ungefähr hat sich nicht nur Kubicki, sondern auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai schon nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen angehört.
Die Nachdenklichkeit in der FDP, ob dieses Konzept aufgeht, wächst. Faktisch hat die Partei unter Führung von Christian Lindner von Anfang an beachtliche Pflöcke in die Ampelpolitik eingeschlagen: von raschen Erleichterungen in der Coronapolitik bis hin zum Abbau der kalten Progression. Wer immer nur sage, die FDP müsse mehr durchsetzen, erwecke damit auch den Eindruck, man habe zu wenig durchgesetzt, fürchten einige in der Partei.
In der Sitzung des Bundesvorstands am Montag nach der Berlin-Wahl hat die Chefin der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, nach Angaben aus Teilnehmerkreisen davor gewarnt, einen Kurs zu fahren, der nach außen signalisiere: Die FDP setzt auf Krawall. Es müsse vielmehr darum gehen, durch gute Lösungen von den Wählern als kompetent wahrgenommen zu werden.
FDP-Chef Christian Lindner selbst sieht sich als wichtigstes Regierungsmitglied der FDP eher in einer Rolle, in der er zwar nach innen hart verhandeln muss, aber nach außen in der Regel staatsmännisch auftreten sollte. Die Abteilung Attacke übernehmen Generalsekretär Djir-Sarai – oder auch Kubicki, der sich allerdings von niemandem steuern lässt. Für Lindner gilt: Das Zaubermittel, wie die FDP in Zeiten der Ampelkoalition bei Landtagswahlen besser abschneidet, hat er auch nicht gefunden.
Lindners Position
Klar ist: Es hat bei den Wahlen oft auch gewichtige landespolitische Gründe gegeben. Mindestens aus der Berlin-Wahl lässt sich aber auch der Rückschluss ziehen: Es ist der FDP, die im Bund mit SPD und Grünen regiert, nicht ganz leicht gefallen, mit der Botschaft durchzudringen, dass sie in der Hauptstadt die Alternative zu ihnen sein will.
Droht Lindner wegen der Misere die Gefahr, seinen Posten als Parteichef zu verlieren? Momentan sieht nichts danach aus. Er hat noch immer viel Kredit in der Partei, weil er sie – nachdem sie im Jahr 2013 aus dem Bundestag geflogen war – fast im Alleingang zurück ins Parlament gebracht hat. Diesen Kredit setzt er nun ein. Doch auch wenn keine Alternative zu ihm in der Partei sichtbar ist, muss er sich an Ergebnissen messen lassen. Das könnte heißen: Das Regieren in der Amel wird nicht leichter – nicht nur mit Blick auf die schwierigen Verhandlungen über Planungsbeschleunigung und Straßenbau.
SPD-Chefin Saskia Esken wurde in den vergangenen Tagen nicht müde zu betonen, wie sehr sie bedauert, dass die FDP es nicht ins Abgeordnetenhaus geschafft hat. Von den Grünen kamen ähnliche Töne. Mancher in der FDP sagt aber auch: Von Esken mit Wattebäuschen beworfen zu werden, das sei für die Liberalen fast so schlimm wie heftige Schläge zu kassieren.