Reutlingen will eine kreisfreie Stadt werden. Die Stadtverwaltung verspricht sich Unabhängigkeit und mehr Geld vom Land. Foto: dpa - dpa

Reutlingen will sich vom gleichnamigen Landkreis lösen. Das ist seit Jahren umstritten. Die Kommune droht nun mit einer Klage, weil noch nichts passiert ist.

Reutlingen (dpa/lsw)Reutlingen wird von neun Kommunen unterstützt, den gleichnamigen Landkreis zu verlassen und zu einem eigenen Stadtkreis zu werden. «Wir wissen aus Erfahrung, dass Großstädte eine andere Verwaltungsstruktur haben müssen als kleinere Städte und Gemeinden, um ihre vielfältigen Aufgaben angemessen erfüllen zu können», heißt es in einer Erklärung der Oberbürgermeister von Baden-Baden, Freiburg, Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Pforzheim, Stuttgart und Ulm vom Mittwoch.

Gerade wegen der besonderen Herausforderungen in großen Städten sehe die Gemeindeordnung Stadtkreise mit allumfassender kommunaler Zuständigkeit vor. Kommunale Selbstständigkeit habe Verfassungsrang und müsse auch der 116 000 Einwohner zählenden Großstadt Reutlingen zugestanden werden. Reutlingen hatte im Juli 2015 den Antrag auf verlassen des Landkreises gestellt. Nach früheren Angaben des Innenministeriums ist dies der erste Antrag dieser Art in Baden-Württemberg.

Reutlingen hat keinen rechtlichen Anspruch, ein Stadtkreis zu werden. Vielmehr muss die Stadt belegen, dass «Gründe des öffentlichen Wohls» die Herauslösung aus dem Landkreis rechtfertigen. Über diese Gründe streiten sich Stadt- und Kreisverwaltung seit Jahren vehement. Endgültig muss der Landtag über den Reutlinger Wunsch entscheiden. Und weil nach mehr als drei Jahren noch keine Entscheidung gefallen ist, will die Kommune vor den Verfassungsgerichtshof des Landes ziehen. Die Klage wegen Untätigkeit werde vorbereitet, sagte eine Sprecherin der Stadt. Sollte der Landtag den Wunsch Reutlingens ablehnen, soll auch geklagt werden.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Uli Sckerl, zeigte Verständnis über den Unmut in Reutlingen über die lange Dauer des Verfahrens. Den Regierungsfraktionen sei es zu verdanken, dass das Thema mit einer Großen Anfrage ans Innenministerium vorangetrieben worden sei. Er könne versichern, dass Grüne und CDU noch im Dezember zu einer Entscheidung kommen wollten und im Landtag einen Entschließungsantrag zu der Großen Anfrage einbringen würden. «Klar ist aus unserer Sicht schon jetzt, dass sich in der Zusammenarbeit zwischen der Stadt Reutlingen und dem Landkreis im Interesse der Menschen etwas ändern muss.»

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Thomas Blenke, sagte die Klagedrohung wegen angeblicher Untätigkeit wundere ihn. «Wir sind in wiederholten Beratungen mit der Stadt Reutlingen. Die Oberbürgermeisterin und ihr Bürgermeister waren bei der presseöffentlichen Anhörung durch die Koalitionsfraktionen im Juli eingeladen und aktiv beteiligt.» Einer angedrohten Klage für den Fall, dass dem Antrag der Stadt Reutlingen nicht stattgegeben werde, sehe man entspannt entgegen.