Szene aus dem Tanzstück „Ohne Giovanni. Aber mit Mozart“ Foto: Oliver Röckle

Fünf Profitänzer und ein gutes Dutzend Amateure versammelt das Tanzstück „Ohne Giovanni. Aber mit Mozart“. Die Körper-Oper erobert den ganzen Treffpunkt Rotebühlplatz.

Stuttgart - Wie’s für Don Giovanni ausgeht, ist bekannt. Flammen umschließen den Unbelehrbaren, dann schnappt ihn sich Mutter Erde. „Dies ist das Ende dessen, der Böses tut!“, lässt Mozart dazu singen. Die Oper über den Frauenhelden ohne Reue hat sich die Stuttgarter Choreografin Katja Erdmann-Rajski schon ausgeguckt, da war das Coronavirus noch in weiter Ferne. „Ohne Giovanni. Aber mit Mozart“ heißt ihr neues Tanzstück. Und auch wenn zu dessen erklärtem Konzept gehört, dass die Geschichte der Oper draußen bleiben muss, klingen doch Themen an, die durch die Weltseuche aus Wuhan eine neue Aktualität bekommen haben. Von Anziehung und Distanz, von Begehren und Enttäuschung, von Illusion und Desillusion, von Lüge und Wahrheit erzählt Katja Erdmann-Rajskis Körper-Oper in ihren schönsten Momenten. Metoo war gestern. Heute sorgt Abstand für Hygiene und Ordnung, wo einst Männerfantasien Körperwirrwarr anrichteten.

Zeichen der Souveränität

Fünf Profitänzer, zwei Männer, drei Frauen, und ein gutes Dutzend Amateure stiegen erstmals an diesem Donnerstag im Treffpunkt Rotebühlplatz in den Mozart-Ring. Eine leere Bühne, zwei Stühle – mehr braucht es nicht für eine Anordnung, die auf die Musik hören und sie in Körpern sichtbar machen will. Gleich in der Ouvertüre setzt eine Tänzerin ein Zeichen der Souveränität: Sie hält und hält und hält die Balance, während die Musik sich in Schnörkelchen verliert. Doch als sie sitzt und sich ausruht, reißt ihr der Sound lustig das Bein hoch. So sind die Tänzer Jäger und Gejagte zugleich.

Vielstimmige Bewegung

Wenn weiße Hemdchen ausgelegt werden, dann kann man darin eine Anspielung auf die lange Liste von Don Giovannis Opfern sehen – oder einfach eine schachbrettartige Herausforderung für den Tanz. Wenn eine Tänzerin eine Tüte Nüsse anschmachtet, dann wird Begehren existenziell - oder einfach witzig in Verzehren verkehrt. Einmal sitzt eine Reihe Damen schön aufgereiht, als hätte Pina Bausch die Stühle angeordnet. Jede einzelne tritt auf Zuruf zum Solo an und zeigt, wie vielstimmig Musik Körper in Bewegung versetzen kann.

Auch wenn zwei Tänzer in ihren mal synchron, mal versetzt laufenden Bewegungen die Strukturen eines Opernduetts sichtbar machen, geht es um die Hoheit über den eigenen Körper. Doch oft drängen die körperlosen Stimmen des Gesangs nach vorn, suggeriert ihr Text eine Botschaft, die den Tanz zum Boten degradiert. Diesen Widerspruch kann Katja Erdmann-Rajski auch dann nicht auflösen, als ihr im zweiten Teil mit einem Aufbruch ins Foyer über Treppen und Abgründe hinweg intensive Gruppenszenen gelingen. So steht Don Giovanni fast zwei Stunden lang dem Tanz im Weg, obwohl er eigentlich gar nicht da sein sollte.

Weitere Aufführungen: bis 20. September, vom 29. bis 31. Oktober sowie vom 11. bis 13. Dezember.