Nicht immer ist in ihrer Arbeit Musik drin – sie hauen auch mal auf die Pauke. Das Musikzentrum Baden-Württemberg setzt sich für die Belange von Amateurmusikern ein. Vor drei Jahren zog die Akademie vom badischen Kürnbach nach Plochingen.
Notenlesen ist leichter. Kunstvoll komponierte Buchstabenfolgen mit Schnörkeln, Bindestrichen, Punkten, Lücken oder Auslassungen schmücken innen und außen das Gebäude des Musikzentrums Baden-Württemberg in der Eisenbahnstraße 59 in Plochingen. Für das Entziffern braucht es Fantasie. Doch: „Wir sind eine künstlerische Einrichtung – und dieser Anspruch soll sich auch am Schriftbild unserer Räumlichkeiten widerspiegeln“, klärt Verbandsdirektorin Irena Staudenmaier auf. Im September 2021 war die Einrichtung mit Pauken und Trompeten eröffnet worden, und seither gab es Wohlklänge und Misstöne.
Bei allen hehren Ansprüchen als Kreativschmiede findet sich im Musikzentrum auch Alltägliches: Zwei Tischkicker stehen im Eingangsbereich. Die Einrichtung ist multi-funktional konzipiert. Sie versteht sich als Begegnungs- und Tagungsstätte, als Bildungsakademie mit Qualifizierungs- und Weiterbildungsangeboten, als Treffpunkt für Amateurmusiker. Sie ist zudem Zentrum und Interessenvertretung für Bläser, Chöre, weitere Musikgruppierungen und in diesen Bereichen ehrenamtlich Tätige. Hier ist die Geschäftsstelle des Blasmusikverbandes Baden-Württemberg untergebracht, und ein Hort für Geselligkeit möchte das Zentrum auch sein. „Wir wollen der Hotellerie keine Konkurrenz machen“, stellt Guido Wolf als Präsident des Blasmusikverbandes klar. Aber in den Räumlichkeiten können Musik- und Probewochenenden, Workshops, Maßnahmen zur Teambildung oder Vereinstreffen mit Übernachtungen durchgeführt werden. In dem Gebäude stehen dafür 52 Einzel-, Doppel- sowie Zimmer für Menschen mit Handicaps zur Verfügung.
Eine Bar gibt es auch. Der Schriftzug ist – natürlich – originell. Das „B“ ist mit dem „ar“ durch eine gewellte Linie verbunden und über allen Buchstaben thront ein Pfeil. Doch die Einrichtung weiß laut den Verantwortlichen genau, wo es lang geht. Vor dem Umzug nach Plochingen, weiß Guido Wolf, waren der Verwaltungssitz in Bad Cannstatt und die Musikakademie in Kürnbach im Kraichgau im Landkreis Karlsruhe getrennt voneinander untergebracht. Der Traum von einer zentralen, modernen Einrichtung war da – und die Verantwortlichen wollten die Gelegenheit zur Verwirklichung nicht verschlafen. In der Plochinger Eisenbahnstraße gab es ein freies Areal. Für die Stadt sprachen die gute Lage „mitten im Herzen des Einzugsgebietes des Verbandes“, wie es Guido Wolf formuliert, die Nähe zum Bahnhof, die gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, das Vorhandensein von Parkplätzen und die städtische Infrastruktur. Für Dissonanzen sorgte kurz nach der Eröffnung die Coronapandemie, die mit ihren Einschränkungen einen schwungvollen Start erschwerte. Leise Misstöne gibt es laut Guido Wolf auch in Zusammenarbeit mit der Stadt: ein besseres WLAN-Netz wäre notwendig.
Notwendig sind auch gute Augen. Die Wegweiser zu den Gästezimmern sind ebenfalls künstlerisch chiffriert. Viele Menschen finden dennoch den Weg. Die Auslastung durch Übernachtungen liegt laut Guido Wolf bei etwa 30 Prozent. Im Coronajahr 2022 waren es nur neun Prozent gewesen, im laufenden Jahr ist eine Steigerung um zehn auf 40 Prozent angepeilt. Herausforderungen für die 17 Mitarbeiter. Zehn arbeiten laut Irena Staudenmaier im Service-Bereich mit Küche, Gastronomie und Übernachtung. Sieben Menschen sind es in der Geschäftsstelle des Blasmusikverbands, die sich auch als Schnittstelle zum Ehrenamt versteht.
Die oft beschworene Vereinskrise mit Nachwuchsproblemen, Mitgliederschwund und schwieriger Besetzung frei werdender Ämter plage die Blasmusik nicht, versichert der Verbandspräsident. Die gut 300 000 Mitglieder seien sehr engagiert, es gebe genügend junge Leute, die wüssten, dass Blasmusik mehr zu bieten habe als allein die klassische Polka. Bei den Chören sehe es anders aus. Bei manchen Ensembles fehle es an neuen, jungen Stimmen. Das Ehrenamt, sagt Guido Wolf, müsse eine höhere Wertschätzung erfahren, noch mehr Aus- und Weiterbildungsangebote täten Not. Auch Mittel wie Projektchöre, die sich für ein bestimmtes, zeitlich begrenztes musikalisches Vorhaben zusammenfinden, könnten helfen. Politik sei gefragt. Bessere Rahmenbedingungen müssten geschaffen werden. Es könne nicht sein, dass Vereinsvorsitzende mit ihrem Privatvermögen für ihre ehrenamtliche Tätigkeit haften. Außer bei grob fahrlässigem, strafbarem Handeln sei eine solche Verpflichtung nicht tragbar. Auch die stark angestiegenen GEMA-Gebühren prangert Guido Wolf an. Sie würden manchen Vereinen die Durchführung von Festen erschweren.
Doch das Musikzentrum setzt auf eine wohlklingende Zukunft. Das Finanzbudget bezeichnen die Verantwortlichen als ausgeglichen. Etwa 800 000 Euro braucht die Einrichtung pro Jahr für die Aufrechterhaltung des Betriebs. Die Gelder kämen aus Zuschüssen des Landes und laufenden Einnahmen etwa durch Übernachtungen.
Das Musikzentrum Baden-Württemberg in Plochingen
Kosten
Die Gesamtkosten für den Bau des 2021 eingeweihten Musikzentrums Baden-Württemberg beliefen sich laut Verbandsdirektorin Irena Staudenmaier auf etwa 24,19 Millionen Euro. Die Ausgaben seien im Plan mit 24 Millionen Euro angesetzt worden: „Dieses Ziel konnten wir erfolgreich erfüllen.“ Dank sorgfältiger Planung und effizienter Ressourcennutzung sei das Projekt im Budgetrahmen geblieben.
Weiterbildungen
Das Musikzentrum Baden-Württemberg bietet Qualifizierungsangebote im Bereich der Amateurmusik an. Auf dem Programm stehen Dirigierkurse, Weiterbildung für Leitungsfunktionen in Vereinen oder Fortbildung zu Musiklotsen.
Begegnung
Das Musikzentrum möchte nach eigenen Angaben auch Raum für den Austausch von Erfahrungen in der Jugend- und Vereinsarbeit sowie der Förderung des gesellschaftlichen Miteinanders von Musikerinnen und Musikern bieten.
Mehr: https://www.musikzentrum-bw.de/.