Beinahe wäre ihr Schiff gesunken. Doch Alva und Jabu haben die erste Hürde genommen und sind auf der Suche nach dem Hoffnungsvogel im Land jenseits des Meeres angekommen. Foto: Katrin Engelking/Oetinger-Verlag

Wie wirkt es sich aufs menschliche Miteinander aus, wenn allen die Zuversicht fehlt? Davon erzählt Kinderbuchautorin Kirsten Boie in einer märchenhaften Geschichte.

Klimakrise, Artensterben, Pandemie, Krieg… Die Nachrichtenlage ist so zermürbend, dass es die Zuversicht schwer hat; auch junge Menschen kämpfen heute vermehrt mit Depressionen. Ein Kinderbuch zum Thema Hoffnung wollte Kirsten Boie deshalb schreiben; inspiriert dazu hatte sie Amanda Gorman mit ihrem Gedicht „The Hill We Climb“ und die eigene Beobachtung, dass das Fehlen von Zuversicht das menschliche Miteinander korrumpiert.

Also schickt Boie in „Der Hoffnungsvogel“ zwei Kinder los ins Land jenseits des Meeres. Jabu, der Freundliche Prinz, und Alva, die Tochter der Leuchtturmwärterin, sollen die Hoffnung zurückbringen. Das Setting ist märchenhaft, das Happy End steht damit nie in Frage. Nicht Gut gegen Böse wie in einem Fantasyroman ist Boies Thema. Sie malt vielmehr die Utopie eines Glücklichen Lands aus, das so heißt, weil dort alle „immerzu alles dafür tun, dass es nicht nur ihnen selbst, sondern auch allen anderen gut geht“.

Brot? Nein, die Königin bäckt Kuchen für alle

Klar, dass auch die Königin dort eine Gute ist. Statt im Schloss haust sie in einer Kate, statt einer Schatzkammer hat sie eine Backstube, wo sie Kuchen bäckt für die Versammlungen mit ihren Bürgerinnen und Bürgern, die alles gemeinsam entscheiden. Bis eines Tages dem Glücklichen Land der Hoffnungsvogel abhandenkommt. Weil er nicht mehr alle Traurigkeit wegzwitschert, werden die Menschen richtig miesepetrig.

Wer meint, der Plot sei mit seinem vorhersehbaren Verlauf kaum mehr als ein Gähnen wert, der täuscht sich. Boies kluge Erzählerin schlägt vom ersten Satz an einen warmen, humorvollen Ton an, der alle mitnimmt und sich bestens zum Vorlesen eignet. „Du musst dich überhaupt nicht wundern, wenn du noch nie vom Glücklichen Land gehört hast…“ hebt das Abenteuer an, in dessen Verlauf die Charaktere, mit denen es Jabu und Alva zu tun bekommen, so fein beobachtet werden, dass sich Schicht für Schicht ihr wahres Wesen zeigt. Ergänzt durch die Perspektiven des zögerlichen Jabu und der forschen Alva gelingt so ein schönes Panorama des Menschlichen.

Eine traurige Prinzessin will gerettet werden

Der Mensch ist gut, aber schlechte Umstände, fehlende Perspektiven oder Ungleichheit etwa, tun ihm nicht gut. Dieser Tenor sorgt in „Der Hoffnungsvogel“ für überraschende Wendungen in der Geschichte, deren Motor das Schicksal einer traurigen Prinzessin und die Gier einer Räuberbande ist. Dass Könige in diesem Umfeld, das auch in den Illustrationen von Katrin Engelking Diversität und die Gleichheit aller feiert, nicht mehr unwidersprochen die Hand ihrer Tochter als Pfand einsetzen können, versteht sich von selbst. Aber auch Boies Lob der Hoffnung, wenn ihre Helden mit Gelassenheit und kleinen Schritten große Probleme bezwingen, macht ihr Buch lesenswert.

Klimakrise, Artensterben, Pandemie, Krieg….? Nur mit Hoffnung, das weiß auch Kirsten Boie, gehen diese Probleme nicht weg. Doch Fantasie, so die Autorin, kann den Weg weisen. „Für den Impuls, sich für eine bessere Welt einzusetzen, und für das Vertrauen, dass das auch gelingen kann, brauchen wir eine Vorstellung davon, wohin wir wollen“, sagt Boie. Ein Land, in dem es weder Armut noch Reichtum gibt, wäre ein schönes Ziel.

Info

Kirsten Boie
„Der Hoffnungsvogel“. Mit Bildern von Katrin Engelking. Oetinger-Verlag. 217 Seiten. 16 Euro. Ab 6 Jahren