Teilhabe und Mitbestimmung : Eine Demonstration für die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre (Symbolfoto). Foto: dpa/Sebastian Gollnow Foto:  

Die Jugend ist politikverdrossen? Von wegen. In Fellbach hat sich der Verein Jugend goes Zukunft gegründet, der sich für den Rems-Murr-Kreis zuständig sieht. Er will junge Menschen für Politik begeistern und sie auf kommunaler Ebene teilhaben lassen.

„Es wäre schön, wenn es Wände gäbe, auf denen man legal Graffiti sprayen kann.“ Unabhängig davon, wie man dieses Ansinnen bewertet: Im Gemeinderat würde der Satz kaum fallen. Gesagt hat ihn die 14-jährige Tamara Iljin aus Fellbach auf die Frage, was sie ändern würde, wenn sie in der Stadt Dinge mitbestimmen könnte. „Es gibt so viel illegales Sprayen“, sagt sie. Iljin würde gerne bei „kleinen Sachen“ mitbestimmen, ihre Bedürfnisse und die ihrer Altersgruppe vortragen.

Tamara Iljin ist Mitglied im Verein Jugend goes Zukunft, der sich in diesem Frühjahr in Fellbach gegründet hat. Die Verantwortlichen haben sich das zum Ziel gesetzt, was sich auch die 14-Jährige wünscht: Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Kreis eine Plattform zur politischen Teilhabe und Mitbestimmung geben. Dafür organisieren die Mitglieder regelmäßig Projekte, die junge Menschen bis 29 Jahre ansprechen und für die Politik begeistern sollen.

Politik und Pizza, Musikbar und Lesungen

Und wie macht man das am besten? Etwa bei einer duftenden Pizza. Beim Format „Pizza und Politik“, das kürzlich zum ersten Mal in Waiblingen stattgefunden hat, können die Teilnehmer zum Beispiel mit den Kreisräten der Stadt Waiblingen diskutieren, Fragen stellen und ihre Ideen einbringen. Und dabei eben Pizza essen. Auch das ist politische Teilhabe, ungezwungen, aber effektiv. Sara Schmalzried, Gründungsmitglied und Vereinsvorsitzende, organisiert das Format gemeinsam mit zwei Vereinsteilnehmern. Ziel des Projekts sei, einen direkten Austausch zu schaffen, bei dem Jugendliche ihre Anliegen frei anbringen können, sagt Schmalzried. „Es ist wichtig, dass die Politiker und Politikerinnen von den Themen erfahren, die die jungen Menschen wirklich beschäftigen.“

„Pizza und Politik“ ist aber nicht das einzig Erfolgreiche, das Jugend goes Zukunft auf die Beine stellt. Maya Tillett, ebenfalls Gründungsmitglied, organisiert für den Verein eine Lesung mit der Stuttgarter Jugendbuchautorin Adriana Popescu, die die Urban-Fantasy-Reihe „Misfits Academy“ geschrieben hat. Mit den Lesungen will Tillett auf die „Wichtigkeit der Printmedien“ hinweisen, wie sie sagt. „Ich bin ein Mensch, der gerne liest, aber nie zum Kindle übergegangen ist“, führt die 20-Jährige aus. Am Donnerstag, 7. November, findet damit bereits die zweite Ausgabe der neuen Reihe statt. Den ersten Termin hat Tillett als gelungen in Erinnerung. „Man hat schnell gemerkt, dass Adriana Popescu ein sehr bodenständiger Mensch ist“, berichtet die Politikstudentin. Einige Teilnehmer seien nun erneut dabei.

Das erste Projekt war eine Musikbar

Angefangen hat der Verein mit einer Musikbar, bei der verschiedene Acts in lockerer Atmosphäre auftreten. Dazu kamen Projekte wie etwa die Lesungen, aber auch eine Initiative, bei der Jugendliche Senioren das Handy erklären. Über Altersgrenzen hinweg zu arbeiten sei ein weiterer Schwerpunkt des Vereins: „Wir wollen auch bei den anderen Generationen das Verständnis für die Themen von jungen Menschen schaffen“, erklärt Schmalzried. „Ich glaube, das erreicht man am besten, wenn man Anknüpfungspunkte bietet“, so die 22-Jährige. Formate, die einen Austausch bieten, eigneten sich gut dafür.

Allgemein ist der Politikwissenschaftsstudentin wichtig, dass die Projekte unterschiedlich sind, um die Interessen der Jugendlichen so gut wie möglich abdecken zu können. „Wir haben festgestellt, dass man junge Menschen am besten erreicht, wenn man ihnen vielfältige und flexible Möglichkeiten bietet, sich zu engagieren“, berichtet sie. Das es zahlt sich aus: Das jüngste Vereinsmitglied ist 14, das älteste 29. Aktuell hat der Verein 16 Mitglieder und fünf Vorstände, vorwiegend aus Fellbach und Kernen. Aber es sollen mehr werden – und vor allem sollen sie aus dem gesamten Rems-Murr-Kreis kommen. Nach der anfänglichen Findungsphase des Vereins soll die Mitgliedergewinnung jetzt richtig starten.

Mitglieder können selbst Projekte vorschlagen

Ist es nicht herausfordernd, die unterschiedlichen Altersgruppen ins Boot zu holen? „Natürlich setzt sich jemand, der 14 ist, noch anders mit politischen Themen auseinander als jemand, der über 20 ist“, räumt Schmalzried ein. „Wir möchten aber trotzdem alles abdecken.“ Deshalb sollen die Angebote niedrigschwellig sein, so die Vereinsvorsitzende – auch in der Organisation. „Wir fragen die Jugendlichen, was sie sich selbst zutrauen, was sie an Planung übernehmen können.“ Was übrig bleibe, übernähmen dann oft diejenigen Mitglieder des Vereins, die schon ein bisschen älter sind.

Die Gründungsmitglieder Sara Schmalzried (rechts) und Maya Tillett (links) mit Teilnehmerin Tamara Iljin Foto: Isabell Erb

Besprochen werden die Projekte in Mitgliederversammlungen, die alle drei bis vier Monate in der Fellbacher Volkshochschule stattfinden. Mitglieder können sich dabei selbst aussuchen, ob und bei welchen Initiativen sie mithelfen wollen – oder natürlich selbst welche vorschlagen.

Für Tamara Iljin war die Mitarbeit bei Jugend goes Zukunft tatsächlich der Einstieg in die Politik: Sie will sich jetzt für den Jugendgemeinderat aufstellen lassen.

Jugend Goes Zukunft – ein noch junger Verein

Lesung
 Die nächste Veranstaltung des Vereins ist eine Lesung mit Jugendbuchautorin Adriana Popescu. Sie findet am 7. November um 19 Uhr in der Buchhandlung Lack in Fellbach statt. Eintrittskarten sind in der Buchhandlung oder per E-Mail an anmeldunglesung@gmail.com erhältlich. Der Eintritt kostet 5 Euro.

Finanzierung
 Die Finanzierung ist laut Vorstandsmitglied Sara Schmalzried noch im Aufbau. Demnach gibt es einen kleinen Mitgliedsbeitrag von zwei Euro im Monat ab 16 Jahren, alle, die jünger sind, zahlen nichts. Einige der Veranstaltungen, wie etwa die Lesung bei Bücher-Lack, würden durch Kooperationen unterstützt. Ab dem dritten Jahr als Verein sei auch das Beantragen von Fördermitteln möglich.

Mitmachen
Wer Interesse daran hat, selbst mitzumachen, kann sich per Mail oder Instagram beim Verein melden. „Mitbringen muss man nichts, sagt Sara Schmalzried. „Nur die Lust, mitzugestalten.“