Laura Tetzlaff, Leiterin der Jungen WLB, Intendant Marcus Grube und Chefdramaturgin Anna Gubiani (von links) wollen mit dem neuen Spielplan eine Leitfrage aufwerfen: Wer wollen wir sein in einer Welt voller Umbrüche? Foto: Roberto Bulgrin

Die Esslinger Landesbühne stellt ihren Spielplan 2025/26 vor. In einer Welt voller Ungewissheiten will er Kontrapunkte setzen zu eindimensionalen Sichtweisen.

Als die Esslinger Landesbühne (WLB) ihren Spielplan 2025/26 konzipierte, hieß der US-Präsident noch Joe Biden. Seither ist die Welt noch unübersichtlicher und ungewisser geworden – und wirft noch dringlicher die auch von WLB-Intendant Marcus Grube gestellte Frage auf: „Wer wollen wir sein?“ Der WLB-Spielplan gibt Anstöße und setzt Kontrapunkte zu einer allzu eindimensionalen Weltsicht.

Kriegsstück

Um die Gegenwart zu erkennen, gräbt das Theater seit jeher in mythische Tiefen. Ein uralter Mythos überliefert mit der Seherin Kassandra die Figur der Stunde: Mitten im trojanischen Krieg spricht Kassandra Wahrheiten aus, die keiner glauben will. Magda Woitzuk zeigt mit „Kassandra und die Frauen Trojas“ die Hellseherin als Klarsichtige ohne Hokuspokus (Deutsche Erstaufführung am 27. Februar 2026 im Esslinger Schauspielhaus; Regie: Jenke Nordalm). Ein paar Jahrtausende später endet der Krieg, mit dem Deutschlands Nazis die Welt verheerten. Mit „Der Brettheim-Prozess“ – einer Neufassung seiner 1995 an der WLB uraufgeführten „Männer von Brettheim“ – errichtet Hans Schultheiß den letzten Kriegsopfern in dem hohenlohischen Dorf ein Denkmal: drei von der SS kurz vor dem Eintreffen der US-Armee hingerichteten Dorfbewohnern, die Hitlerjungen entwaffnet hatten (Uraufführung am 13. März 2026, Schauspielhaus; Regie: Martin Pfaff). Und weil sich manche bis heute im Kriegszustand mit der „BRD GmbH“ wähnen, geht den Tragödien als Satyrspiel Björn SC Deigners Reichsbürger-Farce „Der Reichskanzler von Atlantis“ voraus (26. September 2025, Podium; Regie: Christine Gnann).

Gewaltstück

Heinrich Bölls Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“ handelt von medialer Gewalt und physischer Gegengewalt. Ob ihr in Zeiten von Online-Hass und -Hetze eine vielleicht noch brisantere Aktualität zuwächst, erprobt die WLB mit John von Düffels Bühnenfassung (2. Oktober 2025, Schauspielhaus; Regie: Eva Lemaire). Was aber, wenn sich Gewalt gegen sich selbst wendet? Aki Kaurismäki gewinnt dem traurigen Thema durchaus komische Facetten ab: In „I Hired a Contract Killer“ misslingt einem ewigen Pechvogel sogar der Suizid – was ihn in neues Unglück stürzt (16. Januar 2026, Schauspielhaus; Regie: Catja Baumann).

Beziehungsstück

In die Beziehungskampfzone führt Paolo Genoveses „Das perfekte Geheimnis“. Am Anfang steht ein Partygag: Vier Paare legen ihre Handys offen auf den Tisch. Jede und jeder schaut drauf. Erst landet man im Clinch der Ausreden und Notlügen, dann in der Wahrheit der Kränkungen und Entzweiungen (20. September 2025, Schauspielhaus; Regie: Tobias Rott). Von einer ganz anderen Beziehung handelt Sasha Marianna Salzmanns „Muttersprache Mameloschn“ – letzteres das jiddische Wort für Muttersprache. Es geht um einen Generationenkonflikt zwischen einer Holocaust-Überlebenden und späteren DDR-Kommunistin Lin, ihrer Tochter und ihrer Enkelin – und um die gemeinsame Erfahrung des Antisemitismus (5. Dezember 2025, Podium; Regie: Alexander Vaassen).

Frauenstück

Die Männer sind an der Front oder tot, die Frauen entdecken den Fußball für sich: Aus dieser wahren Begebenheit im Ersten Weltkrieg macht Stefano Massini in seinem Stück „Ladies Football Club“ die Emanzipationsgeschichte eines der erste Frauenfußballteams (16. Mai 2026, Schauspielhaus; Regie: Laura Tetzlaff).

Musikstück

Ein Leben wie eine Achterbahnfahrt: Misserfolg, Skandal, Durchbruch. Das Musical „Der geschenkte Gaul“ schildert das Leben von Hildegard Knef, der Schauspielerin und Diseuse mit der unverwechselbar rauchigen Stimme (13. Dezember 2025, Schauspielhaus; Regie: Christoph Biermeier).

Freilichtstück

Noch einmal Musik, diesmal klassisch, aber auf die unklassischste Weise: „Die Zauberflöte – The Opera but not the Opera“ von Nils Strunk und Lukas Schrenk ist die Story eines bankrotten Tourneetheaters, das sich mit Mozarts Greatest Hit sanieren will. Da fließen dann schon auch ein paar Pop-Kracher ein (13. Juni 2026, Freilichtinszenierung auf der Esslinger Maille; Regie: steht noch nicht fest).

Kinderstück

Die Lebenswelten der Kinder greift die Junge WLB auf. „Hey, ich bin der kleine Tod…aber du kannst auch Frida zu mir sagen“ nach der Erzählung von Anne Gröger erzählt die Geschichte eines einsamen, kranken Jungen, der Abenteuer und Freundschaft entdeckt (21. September 2025, Podium, ab zehn Jahren; Regie: Johannes Schleker). David Williams‘ „Gangsta-Oma“ erzählt die Geschichte einer Großmutter, die ihrem Enkel den Weg ins Abenteuer ebnet (4. Oktober 2025, Studio am Blarerplatz, ab acht Jahren; Regie: Dalila Niksic). Als Familienstück steht Otfried Preußlers „Räuber Hotzenplotz“ auf dem Plan (22. November 2025, Schauspielhaus, ab sechs Jahren; Regie: Konstanze Kappenstein). „Fuchs und Ferkel – Torte auf Rezept“ von Bjørn F. Rørvik richtet sich ans jüngere Publikum ab fünf Jahren. Lara Tetzlaff, die Chefin der Jungen WLB, führt Regie und bringt den Text zum ersten Mal auf die Bühne (29. November 2025, Studio am Blarerplatz). „Planet der Hasen“ von Tina Müller lenkt den Blick auf die Zerstörung der Umwelt (7. März 2026, Podium, ab acht Jahren; Regie: Laura Tetzlaff). „Das Klugscheißerchen“ von Marc-Uwe Kling bringt Regisseurin Ingrid Gündisch auf die Bühne (9. Mai, Podium, ab sechs Jahren) .

Jugendstück

„Ach Heinrich! Von Kleist reloaded“ heißt die Jugendproduktion von WLB-Intendant Marcus Grube. „Wir wollen einem jungen Publikum den Abiturstoff locker vermitteln“, sagt Grube, der die 90-minütige Achterbahnfahrt durch das Werk Kleists schreibt und inszeniert (5. März 2026, Podium, ab 15 Jahren).

Theaterstück

Manchmal ist das Theater sein eigenes Theater. Diesmal nicht. An der WLB gibt es nur zwei Veränderungen im Ensemble: Timo Beyerling und Philip Spreen verlassen die Kinder- und Jugendtruppe, also die Junge WLB, und sind künftig als freischaffende Schauspieler tätig, Und eine erfreuliche Prognose: Wenn das diesjährige Freilichtstück „Frankenstein“ (Premiere: 14. Juni auf der Maille) keinem Monsterwetter zum Opfer fällt, wird auch die Spielzeit 2024/25 die 100 000-Zuschauer-Marke knacken, verspricht Intendant Grube.