Trickbetrüger überziehen offenbar gerade wieder Baden-Württemberg mit ihrer Telefonmasche, erbeuten dieser Tage wieder Hunderttausende Euro. Gibt es kein Gegenmittel?
500 000 Euro Beute in Stuttgart, 88 000 in Oppenweiler, Zehntausende in Reutlingen: Eine weitere Welle von Telefontrickbetrügern schwappt aktuell über Baden-Württemberg. Am Mittwoch und Donnerstag hatten unbekannte Täter erneut Erfolg mit dem Trick, sich am Telefon als Polizeibeamte, Mitarbeiter von Gerichten oder Verwaltung und Angehörige auszugeben, die sich in einer Notlage befänden. Sie forderten ihre Opfer auf, Geld, Schmuck und Münzen einem Abholer zu übergeben.
Die Täter finden ständig neue Opfer. Mehr als 20 betrügerische Anrufe hat die Polizei alleine im Stadtgebiet Stuttgart registriert. Die Täter bleiben unbekannt – wie auch dieser Tage im Rems-Murr-Kreis, in Reutlingen und Schwäbisch Hall. Anderswo ist es dagegen ruhig: Im Großraum Konstanz hatte die Polizei in den vergangenen Tagen keinen Hinweis auf Telefontrickbetrüger.
Der falsche Gerichtsmitarbeiter hat eine Zahnlücke
Das Problem ist seit Jahren unverändert akut. „Diese Straftat ist immer mitten unter uns“, sagt Michael Schorr vom Polizeipräsidium in Freiburg. Seine Ermittler fänden vielleicht mal ein, zwei Tage keinen Telefontrickbetrug in den täglichen Lagemeldungen, „aber dann melden uns die Dienststellen wieder, dass Täter es wieder irgendwo versucht haben“.
In Stuttgart traf es am Donnerstag eine 77-Jährige, die sich von einer angeblichen Kriminalbeamtin am Telefon mit der Geschichte vom tödlichen Verkehrsunfall täuschen ließ. Die Frau aus dem Stuttgarter Norden übergab am Ende Gold und Münzen für mehrere Zehntausend Euro an einen angeblichen Mitarbeiter des Amtsgerichts. Der etwa 45 bis 50 Jahre alte und 1,70 Meter große Abholer war recht auffällig: Er hatte eine Zahnlücke im Oberkiefer im Bereich der Schneidezähne, sprach akzentfreies Deutsch. Erst als die Seniorin ihre echte Tochter anrief, fiel der Betrug auf.
Täter suchen gezielt nach Namen älterer Menschen
In Ravensburg weist Oliver Weißflog darauf hin, dass die Täter nach bisherigen Ermittlungen oft Telefonbücher wälzen, um die Nummern ihrer Opfer zu bekommen. Zum einen bemerke die Polizei, dass „die Anrufe sich in bestimmten Postleitzahlengebieten häufen und dann weiterziehen“, sagt der Ravensburger Polizeisprecher. Zudem vermuteten die Ermittler, dass die Täter gezielt nach alten Vornamen suchen, um dann Senioren als Opfer auszuwählen. „Daher empfehlen wir, dass sich jeder genau überlegt, ob und wie er oder sie in einem Telefonbuch aufgelistet werden will. Wenn schon ein Eintrag, dann reicht ja vielleicht der Nachname.“ Der Vorname, der Rückschlüsse auf das mögliche Alter geben kann, würde so möglichen Tätern unbekannt bleiben.
Dieselbe Erfahrung macht Steffen Schulte im Karlsruher Polizeipräsidium. Allerdings: „Wir merken aber auch, dass die polizeiliche Präventionsarbeit langsam Früchte trägt. Inzwischen legen viele Opfer einfach auf, wenn die Täter von ihnen Geld oder Wertgegenstände einfordern. So verpuffen etliche Versuche auch.“
Einig sind sich die Polizistinnen und Polizisten im Land, dass es richtig und wichtig sei, auch nach einem erfolglosen Betrugsversuch, sofort die Polizei über die Notrufnummer 110 zu verständigen. „Diese Nummer gilt überall, niemand muss erst noch schauen, wie die Rufnummer seiner örtlichen Polizeiwache ist“, erklärt Michael Schorr. Sein Karlsruher Kollege Steffen Schulte ergänzt: „Jeder angezeigte Versuch hilft uns, die Straftat regional zuzuordnen und Schwerpunkte zu erkennen. So können wir gezielter gegen die Täter vorgehen.“ Und vielleicht, sagt ein erfahrener Ermittler, lässt sich auf dem Telefon des Opfers auch noch die Nummer des Täters rekonstruieren.